»68 war eine Wohlstandsrevolution«

small talk

Die taz fordert die Umbenennung der Kochstraße in Berlin in Rudi-Dutschke-Straße. Aber was halten die Einwohner davon? Ein Gespräch mit Jost Hähnel von der Bundesingenieurkammer.

Wie denken Sie darüber, dass die Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt werden soll?

Ich persönlich bin nicht für eine Umbenennung. Aber ich frage zurück: Wissen Sie zufällig, nach wem die Kochstraße benannt ist? Nach Robert Koch?

Nach Johann Jakob Koch, einem Berliner Bäckermeister und Lokalpolitiker aus dem 18. Jahrhundert.

Gut, es kann sich da natürlich die Frage stellen, ob Rudi Dutschke von der Wertigkeit her nicht über diesem Herrn Koch anzusiedeln wäre. Aber das ändert nichts an meiner grundsätzlichen Ablehnung. Ich bin nicht aus den alten Bundesländern, und insofern ist mir die Geschichte der 68er-Bewegung nicht so ans Herz gewachsen. Wenn ich mal ganz bösartig bin, dann sage ich, das war zum Teil auch eine Wohlstandsrevolution, die mir von ihrer Bedeutung her sowieso sehr stark überhöht scheint. Deshalb finde ich eine Umbennenung nicht unbedingt angemessen.

Wie finden Sie diese Kampagne der taz?

Das ist sicherlich auch eine PR-Aktion, die die taz für sich selber ausnutzen will. Früher haben sie jedes Jahr eine Anzeigenkampagne gemacht, dass sie bankrott gehen, wenn nicht mehr Anzeigen kommen. Vielleicht macht man dies jetzt auf eine andere Art und Weise, um sich wieder ins Gespräch zu bringen.

Hätten Sie ein Problem damit, wenn auf Ihrer Visitenkarte stünde: Bundesingenieurkammer, Rudi-Dutschke-Straße?

Wenn es so käme, könnten wir es ja sowieso nicht mehr ändern. Und wir könnten auch nicht ausziehen, nur weil die Straße umbenannt wird. Das ist wieder eines dieser unseligen Verfahren. Ich glaube, die Deutschen neigen dazu, alle 40 Jahre ihre Straßen umzubenennen und ihre Denkmäler abzureißen. Das ist dann Vergangenheitsbewältigung. Ich halte von der Idee überhaupt nichts.

interview: stefan wirner