Armageddon Man

ich-ag der woche

Ein Freund der Uno war John Bolton nie. »Wenn das UN-Sekretariatsgebäude in New York zehn Stockwerke verliert, würde das keinerlei Unterschied machen«, erklärte er 1994. Ussama bin Laden gab seinen Untergebenen ein anderes Flugziel vor, so dass die These unüberprüfbar blieb. Mittlerweile dürfte Bolton ein Interesse am Erhalt aller Stockwerke haben, denn sein neuer Job zwingt ihn zur häufigen Anwesenheit im UN-Gebäude.

Präsident George W. Bush ernannte ihn in der vergangenen Woche zum neuen UN-Botschafter. Seitdem rätseln die US-Medien darüber, warum Bush jemand auswählte, der den internationalen Strafgerichtshof (»nicht nur naiv, sondern gefährlich«), das Zusatzprotokoll zum Verbot biologischer Waffen (»es ist tot, tot, tot, und ich will nicht, dass es wieder aufersteht«), Blauhelmeinsätze (»Kofi Annans Griff nach der Macht«) und überhaupt alles ablehnt, was mit internationalem Recht und der Uno zu tun hat.

Die Entscheidung ist insofern konsequent, als Bolton bislang Unterstaatssekretär für Rüstungskontrolle war, obwohl er jede Rüstungskontrolle ablehnt, egal ob es um den Besitz von Schusswaffen oder das Recht der USA auf Atomtests geht. Der Jurist Bolton, dem Ronald Reagans Mitarbeiter für treue Dienste die Nachbildung einer Handgranate schenkten, hat auch seine Qualitäten. »John Bolton ist die Art von Mann, an dessen Seite ich beim Armageddon stehen will, wenn es mein Schicksal sein sollte, bei dieser vorhergesagten letzten Schlacht zwischen Gut und Böse dabei zu sein«, sagte Senator Jesse Helms.

Vermutlich war es nicht die Qualifikation als Gottesstreiter, die zu Boltons Ernennung führte, sondern die Notwendigkeit, unzufriedene Neokonservative zu beruhigen. Denn eigentlich war Bolton als Vizeaußenminister im Gespräch. Sein Job wäre es gewesen, Condoleezza Rice bei »der Formulierung und Ausführung der Außenpolitik zu assistieren«. Stattdessen darf er nun zur Freude der republikanischen Rechten feurige Reden halten. Wenn seine Vorgesetzte Rice es erlaubt.

jörn schulz