Der Terminator aus Tel Aviv

Der Schwergewichtsboxer Roman Greenberg gilt als »Jewish Hope«. Er könnte sogar der erste israelische Boxweltmeister werden. von martin krauss

Roman ist der schnellste Kerl, den ich im Schwergewicht je gesehen habe – seit Muhammad«, sagt Angelo Dundee, und der war der Trainer von Muhammad Ali. Der englische Daily Telegraph nennt diesen Greenberg einen »Champion im Wartestand«, seine Art zu boxen mache ihn zu einem »Connaisseurs Boxer«. Und Robert Waterman, der englische Promoter des 22jährigen, 1,91 Meter großen Schwergewichtlers, glaubt, er habe den »weltweit ersten Eine-Milliarde-Dollar-Kämpfer« unter Vertrag.

Roman Greenberg wurde 1982 in Moskau geboren. 1989 siedelte die Familie nach Wien um, »weil wir dort Verwandte und Freunde haben«, sagt Greenberg. 1993 zog die Familie weiter nach Israel.

»Als ich elf Jahre alt war, begann ich in einem Trainingsraum mit dem Boxen. Das war in einem Gym in der Nähe von Haifa. Aber Gym kann man dazu gar nicht richtig sagen, so etwas gibt es in Israel ja eigentlich nicht.«

Die Geschichte der Greenbergs in Israel ist eine Aufsteigergeschichte. »Es war schwer am Anfang«, erinnert er sich, »wir lebten auf der Straße, meine Eltern, mein kleiner Bruder Alex und ich. Diese ersten Tage und Nächte in Israel waren ein echter Albtraum.«

Der Vater arbeitete sich hoch und ist nun erfolgreicher Geschäftsmann. Romans 13jähriger kleiner Bruder gilt als Schachtalent. »Vor einem Jahr gewann er die Goldmedaille in der israelischen Jugendmeisterschaft, in diesem Jahr die silberne.« Und Roman, der mit Hebräisch, Russisch, Englisch und Deutsch vier Sprachen fließend spricht, fing an zu boxen. 1998, da ist Greenberg 16, kam der englische Promoter Robert Waterman nach Israel. Er versuchte, dort das Berufsboxen zu etablieren, und veranstaltete kleinere Kampfabende in Eilat und Tel Aviv. Er erinnert sich: »Einer meiner Anlaufpunkte war das Gordon’s Swimming Centre in Tel Aviv, das ein großes Boxgym beherbergt. Da nahm ich erstmals von Roman Notiz.«

Der Promoter schloss mit Greenbergs Vater einen Vorvertrag. Sein Plan war, der Familie bis zu den Olympischen Spielen 2004 zu helfen. »Um sein Potenzial bis zu dem Punkt zu entwickeln, an dem er olympisches Gold gewonnen hätte, mussten wir ihn um die Welt reisen und gegen die Besten boxen lassen«, erläutert Waterman seinen Plan. »Ich besorgte ihm Sponsoren und vermittelte Auftritte bei Amateurveranstaltungen in London und Las Vegas.«

1999 gewann Greenberg als jüngster Boxer überhaupt den israelischen Schwergewichtstitel der Amateure, im Jahr 2000 gewann er bei der Junioren-WM die Silbermedaille. »Aber bald wurde klar, dass der israelische Boxverband nicht die Infrastruktur und nicht das Geld hatte, einen Boxer zu den Olympischen Spielen zu entsenden«, sagt Waterman, und Greenberg ergänzt: »Der Verband hat halt andere Prioritäten gesetzt.«

Nach siebenmonatiger Militärzeit verließ Greenberg 2001 Israel, ging nach England zum Promoter Waterman, der ihm den Manager Jim Evans vermittelte, und wurde Profi.

Kurz vor diesem Schritt hatte er in Israel noch ein Erlebnis, das ihm den Umzug nach England erleichterte. Zusammen mit einem Freund wollte Greenberg abends in eine Tel Aviver Disco, aber sie hatten nicht genügend Geld für den Eintritt. Stunden später sprengte dort ein Selbstmordattentäter sich und 21 Jugendliche in die Luft. »18 oder 19 war ich damals«, erinnert sich Greenberg und sagt, dass er lieber in England leben würde als in Israel. »Man muss in Israel ständig aufpassen. Man weiß nie, wann oder wo etwas Schlimmes passiert.«

Wenn er in Israel ist, trainiert Greenberg bei seinem Entdecker. Tolek Porat heißt er, »der beste Boxtrainer in ganz Israel«. Auch Porat ist ein Russe, aber schon als 11jähriger kam er nach Israel. »Ohne die Russen würde im israelischen Sport ja kaum etwas laufen«, sagt Greenberg und lacht dabei ein wenig verlegen.

»Ich fragte mich, ob dieser Kerl wirklich so gut werden könnte, wie Robert glaubte«, erinnert sich Manager Evans an die Anfänge der Zusammenarbeit. »Heute weiß ich, dass Robert untertrieben hat.«

Der Mann, der mit goldverzierten schwarzen Hosen und einem großen aufgestickten Davidstern den Ring betritt, ist bislang ohne Niederlage oder Unentschieden. 17 Siege sind es, davon zwölf durch K.O. Sein Promoter und sein Manager lassen ihn abwechselnd in den USA und in England boxen. Seine Gegner sind handverlesen, denn im Profiboxen werden große Kämpfer sorgfältig aufgebaut. Dafür erhält Waterman auch viel Kritik, denn schließlich habe Greenberg seine Klasse bislang noch nicht bewiesen.

»Niemand von uns behauptet ja, dass er schon gegen Weltmeister geboxt hätte«, antwortet Waterman. Nach seinem »Vierjahresplan« steht 2005 ein Titelkampf um die Europameisterschaft an.

Roman Greenberg reagiert auf solche Kritik heftiger als sein Promoter. »Nennen Sie mir doch einen Boxer, der gleich zu Beginn seiner Karriere die schwersten Gegner bekam. So etwas gibt es heute nicht mehr«, schimpft er. »Glauben Sie denn, dass die deutschen Boxer gleich gegen die Besten geboxt hätten? Oder die Klitschkos. Immer wurde gesagt, die hätten zu leichte Gegner, ihre Kampfbilanz sei geschönt. Und nun ist Vitali Klitschko der WBC-Weltmeister im Schwergewicht. Was soll daran geschönt sein?«

Roman Greenberg weiß, dass er mit seiner Karriere erst am Anfang steht. Als Amateur erreichte er 47 Siege bei nur fünf Niederlagen. Was nach unangenehmer, aber im Boxgeschäft verbreiteter Blenderei klingt, ist bei ihm eine sehr realistische Einschätzung seiner Fähigkeiten. »Meine Geschwindigkeit, meine Technik und meine Beweglichkeit sind gut. Und vor allem kann ich diese Sachen gleichzeitig einsetzen. Ich kann jedem Gegner meinen Kampf aufzwingen.«

Luan Krasniqi, den deutschen Europameister, hat er sich schon angeschaut. »Ich kann ihn schlagen«, sagt er. Einen Vertrag über einen Kampf um Krasniqis Europameisterschaft 2005 hat er allerdings noch nicht. Es gibt Boxer, die Greenberg sich noch nicht zutraut, aber einige bekannte Namen der Szene hätte er schon ganz gerne vor den Fäusten. Mike Tyson etwa, den mittlerweile 38jährigen ehemaligen Weltmeister. »Ich denke, sein Stil liegt mir. Es würde für ein paar Runden schwer werden, aber ich glaube, dass ich die Fähigkeit habe, ihn auszuboxen.«

Ob es für Greenberg in diesem Jahr einen Tyson-Kampf geben wird, ist unwahrscheinlich. Sein Promoter glaubt aber, dass der Markt da ist. Während das weiße Amerika nach einer »white hope« Ausschau hält, so sucht die jüdische Welt nach einer »blauweißen Hoffnung«, wie es die israelische Zeitung Ha’aretz formuliert.

Das einzige Marketingproblem mit Roman Greenberg könnte sein, dass er zu smart aussieht. Wenn er seine modischen Lederjacken trägt, sieht er eher wie ein Student der Wirtschaftswissenschaften aus. Das englische Magazin Celebrities Worldwide nennt Greenberg einen »Justin Timberlake des Boxgeschäfts«.

Das Fachblatt Boxing Monthly schreibt, dass viele Menschen Greenberg wegen seines Bekenntnisses zum Judentum für einen »gimmick fighter« halten, einen reinen Reklametypen. Aber diese Leute irren, da ist sich das Fachblatt sicher. Dennoch muss das Waterman-Evans-Management letztlich darauf vertrauen, wie die Jerusalem Post schreibt, dass es viele gibt, die auf »den Glücksfall einer weißen, jüdischen Schwergewichtshoffnung vertrauen, die gut aussieht und Charisma besitzt«.

Sehr religiös ist Greenberg nicht. Er hatte seine Bar Mitzvah und wurde in seiner Jugend religiös unterwiesen, aber er befolgt die Regeln kaum. Dennoch sagt er: »Ich fühle mich gut, wenn die Leute sagen, ich sei eine ›jüdische Hoffnung‹. Man sagt immer, die Juden könnten nicht kämpfen. Das stimmt nicht. In ihrer ganzen Geschichte mussten die Juden kämpfen. Und auch im Boxen gab es immer gute jüdische Kämpfer.« Und schon etliche jüdische Weltmeister in der Geschichte des Profiboxens, aber noch keinen im Schwergewicht. Dabei ist der jeweilige Champ in dieser Kategorie, wie es Noman Mailer einmal ausdrückte, »der große Zeh Gottes«.

Berühmte jüdische Boxweltmeister kommen nicht aus dem Schwergewicht. »Sweet« Saoul Mamby etwa, der den Juniorweltertitel der WBC von 1980 bis 1982 hielt. Oder Mike »The Kosher Butcher« Rossman, Halbschwergewichts-Champ der WBA von 1978 bis 1979.

Dass Juden das Profiboxen der letzten Jahrzehnte geprägt hätten, kann man nicht gerade behaupten. »Leuten auf den Kopf zu schlagen«, erkannte der legendäre jüdische Trainer Ray Arcel, »ist nicht das höchste Bestreben des jüdischen Volkes.«

Der 1994 verstorbene Arcel feierte als Trainer schon Erfolge, »when Boxing was a jewish sport«, wie ein Buch aus dem Jahr 1997 heißt. Die zwanziger und dreißiger Jahre waren die große Zeit des jüdischen Boxens. Benny Leonard, von 1917 bis 1925 Weltmeister im Leichtgewicht, war vielleicht der berühmteste und Barney Ross, Weltergewichtschamp von 1934 bis 1938, vielleicht der beste jüdische Boxer.

Der ehemalige Boxfunktionär Danny Kapilow sagt: »Ab 1950 gab es keine jüdischen Boxer mehr. Die Iren blieben noch ein bisschen, die Italiener auch, und natürlich kamen die Schwarzen auf. Es gab ab da ja auch keine jüdischen Gangster mehr. Sie begannen, ihren Weg in der Gesellschaft zu machen.«

Greenberg vertraut darauf, dass es seine eigene Einwanderergeschichte ist, die ihn nach oben bringt.

Einen guten Kampfnamen hat Greenberg übrigens noch nicht, aber sein Manager Evans hat ihn in einem Interview einmal »The Tel Aviv Terminator« genannt. Daraus könnte ja was werden.