Nicht links, nicht rechts - Oskar!

raucherecke

Oskar Lafontaine habe einen »Tastsinn für seelische Stimmungen in der Bevölkerung«, meint Horst Seehofer (CSU), und der Angesprochene fühlt sich geschmeichelt. Selten dürfte Lafontaine in den vergangenen Monaten so viel Lob widerfahren sein wie am Freitag im Haus der Bundespressekonferenz, wo er sein neues Buch »Politik für alle« vorstellte. Seehofer, der »letzte Sozialpatriot der Union« (taz), ist der Laudator, und fast glaubt man, der Gründung der Sozialpopulistischen Partei beizuwohnen. Die meisten der anwesenden Journalisten betrachten die beiden Politiker jedoch skeptisch, kein Wunder, nach den unzähligen Leitartikeln und Kommentaren für Hartz IV, für niedrigere Löhne und geringere Unternehmenssteuern.

Lafontaine ist bekanntlich gegen die Reformen der Bundesregierung, im Herbst vorigen Jahres mischte er sich sogar unter die Montagsdemonstranten in Leipzig. In seinem Buch schreibt er: »Die Linke spricht die Sprache der Rechten.« Er erklärt, was etwa das Wort Lohnnebenkosten wirklich bedeute: »Geld für Rentner, Kranke, Arbeitslose und Pflegebedürftige«. Doch kein Politiker traue sich zu sagen: »Die Kürzungen der Leistungen für Rentner, Kranke, Arbeitslose und Pflegebedürftige steht im Mittelpunkt unserer Politik.« Deshalb werde das verschleiernde Wort Lohnnebenkosten verwandt.

Für seine Sprachkritik bemüht Lafontaine nicht nur Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, sondern auch den völkischen Philosophen und Antisemiten Ludwig Klages und den frühen Anhänger des Nationalsozialismus, Martin Heidegger. Lafontaine merkt nicht, dass er selbst die Sprache der Rechten spricht. »Das Volk zahlt drauf«, heißt ein Kapitel seines Buches, knackiger hätte es die NPD auch nicht formulieren können. Auf der Buchvorstellung rechtfertigt er sich. Er meine die »Mehrheit des Volkes«, die »Arbeitnehmer und Rentner«.

Wem aber das »Volk« das Objekt der Begierde ist, der kritisiert auch lieber die Zirkulations- als die Produktionssphäre. »Investierende Unternehmer müssen belohnt werden, nicht die mit Finanzkapital spekulierenden«, sagt Lafontaine. In der Sprache der Linken? In der Sprache der Rechten? Wer weiß. Lafontaine spricht er von der »unsichtbaren Hand des Geldes«, vom »Neoliberalismus« und dem »dahinter stehenden internationalen Finanzkapitalismus«. Sein Antikapitalismus ist ein deutscher: nicht links, nicht rechts, sondern für ehrliche Arbeit und gegen das internationale Finanzkapital. Denn »Arbeit ist wichtiger als Kapital«. Und: »Der Mensch ist wichtiger als Geld.« So sieht er aus, Lafontaines »Tastsinn für seelische Stimmungen in der Bevölkerung«.

stefan wirner