Freizeit statt Kapitalismus

in die presse

Manchmal glaubt man auch in diesen düsteren Zeiten noch eine gute Nachricht lesen zu dürfen. »Die junge Elite sitzt auf gepackten Koffern«, resümiert das Manager-magazin die Ergebnisse einer »Exklusiv-Studie«, die die Zeitschrift mit den Unternehmensberatern von McKinsey erstellte. Denn die »junge Elite«, die man früher auch als Studierende bezeichnet hat, sehe es »zu 60 Prozent und mehr als realistisch an, dass die wirtschaftliche oder soziale Situation ihnen Anlass geben könne, Deutschland den Rücken zu kehren«.

Da möchte man den Innovativen, Querdenkern und anderen Zukunftsfähigen ein fröhliches »Und tschüss« hinterherrufen. Thomas Straubhaar, der Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs, erinnerte bei der Vorstellung der Studie zudem daran, dass auch der Zusammenbruch der DDR mit der Auswanderung der Eliten begonnen habe. Sollte ausgerechnet die »junge Elite« der Forderung »Nie wieder Deutschland!« zu einem überraschenden Durchbruch verhelfen?

Die genauere Lektüre ernüchtert ein wenig. Denn es geht um die »Frage, ob man in nächster Zeit eine Entwicklung für denkbar halte, die es nahe lege, auszuwandern und sich im Ausland eine neue Existenz aufzubauen: Eine Mehrheit von 56 Prozent der Studierenden im Hauptstudium vermag eine solche Perspektive nicht auszuschließen.« Vom Denken zum Sitzen auf gepackten Koffern ist es ein weiter Weg. Fast mag es so scheinen, als hätten die Auftraggeber, die ihre Studie als Aufruf zu weiteren »Reformen« betrachten, die Ergebnisse ein wenig dramatisiert.

Die »junge Elite« wurde nicht über ihre Reformwünsche befragt, ihre Wertvorstellungen werden als konservativ bezeichnet. Doch am wichtigsten ist den Studierenden Freiheit, dicht gefolgt von Freizeit, einem Neuling im konservativen Wertesystem. Pflichterfüllung und Marktwirtschaft müssen sich mit den hinteren Rängen begnügen. So gibt es am Ende doch eine gute Nachricht. Die »junge Elite« liegt gern auf der faulen Haut, und sie hat wenig Sinn für die Vaterländerei.

maxim kammerer