Ein Zeichen ist ein Zeichen …

… ist ein Zeichen. Das Kunstmuseum Lentos in Linz widmet sich der Subversion der Zeichen und stellt Fragen zur politischen Reichweite des »Culture Jamming«. von rudi maier

Der Kapitalismus will alles zur Ware machen, das ist nichts Neues. Dass er sich dabei oftmals trickreich mittels der von Louis Althusser beschriebenen zähneknirschenden Harmonie absichert, belegen die Reaktionen auf eine Aktion, die vor einigen Jahren in den USA für Aufsehen sorgte. Mit den Slogans »in money we trust« und »bringing democracy and capitalism closer together« warb die Website vote-auction.net dafür, Wahlberechtigungsscheine bei den Präsidentschaftswahlen an die Meistbietenden zu verkaufen. Die Folgen: Mehr als 1 800 Medienberichte über diese Aktion weltweit, darunter ein 27minütiges Feature auf CNN, und eine Debattenschlacht über entgrenzten Kapitalismus und sein Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie – die einen fanden es eine gute Sache, die anderen hetzten gegen die Nestbeschmutzer.

Seit kurzem gibt es eine Spurensuche über mediale Intervention auch im Lentos Kunstmuseum in Linz zu sehen. Die Ausstellung »Just do it! Die Subversion der Zeichen von Marcel Duchamp bis Prada Meinhof« begibt sich auf die Suche nach den Strategien der »semiotischen Heckenschützen«, die unter dem etwas unscharfen Schlagwort des »Culture Jamming« seit einigen Jahren sowohl im Kunstkontext als auch in verschiedenen politischen Bewegungen zirkulieren. Die Ausstellung reiht sich ein in eine Vielzahl von Ausstellungsprojekten in der letzten Zeit, die sich an den Schnittstellen von Kunst und politischen Bewegungen positionieren – und in denen sich künstlerische Aktivitäten und politische Bewegungen offensichtlich aufeinander zu bewegen.

Mit »Just do it!« geben die drei Ausstellungsmacher Thomas Edlinger, Raimar Stange und Florian Waldvogel einen Überblick über die Entwicklung des »Culture Jamming«, einer speziellen Form der Erzeugung »kultureller Störgeräusche« auf der Ebene der Zeichen. Beginnend mit Marcel Duchamps Readymade der Mona Lisa mit aufgemaltem Schnurrbart aus dem Jahr 1919, wird ein weiter und großer Bogen geschlagen, bei dem Dada, die Situationisten oder Pop-Art-Arbeiten jeweils unterschiedliche Interventionsformen in die kulturelle Grammatik damaliger Gesellschaftsformationen darstellen.

Gezeigt werden Arbeiten von insgesamt 59 KünstlerInnen aus allen Teilen der Welt sowie Konsumobjekte wie T-Shirts, Skateboards oder Autos. Dabei steht der Begriff des »Culture Jamming«, verstanden als Aktionsform, bei der es vor allem um die Um- und Neucodierung von Zeichen und Zeichensystemen geht, stets im Vordergrund der ausgestellten Arbeiten. Richteten sich die Arbeiten John Heartfields, Peter Weibels oder der Grafik-Sektion des Kollektivs Neue Slowenische Kunst noch ideologiekritisch gegen Staat und staatliche Institutionen, thematisierten Martha Rosler oder die Guerilla Girls die patriarchalen Ausgrenzungs- und Unterdrückungsstrukturen der Institution Ehe oder des Kunstbetriebs, so sind heutige Störungen der hegemonialen Kommunikation zumeist gegen Unternehmen, allen voran gegen die Global Players, gerichtet.

Beliebtestes Angriffsziel der Zeichensabotage ist die Marke aller Marken: Nike. In den gezeigten Arbeiten werden in erster Linie die Ästhetisierungsstrategien sichtbar gemacht, die aus dem Gebrauchsgut Turnschuh einen mit symbolischem Mehrwert ausgestatteten Lifestyle-Artikel machen. Die Fake-Aktion »Nikeground« thematisiert darüber hinaus die zunehmende ökonomische Macht global agierender Unternehmen wie Nike: Als im Herbst 2003 eine Website und eine Pressemitteilung im Namen des Unternehmens ankündigten, den etwas heruntergekommen, aber altehrwürdigen Wiener Karlsplatz aufzukaufen und in Nikeplatz umzubenennen, war die Aufregung in der österreichischen Hauptstadt für kurze Zeit groß. Die temporäre Umbenennung der Stadt Wolfsburg, anlässlich der Präsentation des neuen VW Golf 2003, in Golfsburg, weist in dieselbe Richtung: der zunehmenden ökonomischen Durchdringung des Alltags.

Beim Culture Jamming handelt es sich allerdings um eine offensichtlich zweischneidige Angelegenheit. Die Sabotage der hegemonialen Bedeutungsproduktion von Zeichen gehört nicht nur zum Standardrepertoire der Kommunikationsguerilla, sondern seit Längerem auch zu den Basics der PR-Agenturen und Marketing-Abteilungen. In Zeiten, in denen potenzielle KonsumentInnen aufgefordert werden, »anders zu sein«, und Differenz als zentraler Kaufanreiz offeriert wird – bei Daimler-Chrysler hieß das jüngst: »Lerne die Regeln und brich sie« – ist es nicht verwunderlich, wenn auch in teuren Werbekampagnen das Bedeutungsgefüge der Zeichenwelten kräftig durcheinander geschüttelt wird.

Dabei ist es jedoch hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass die Produktion von Zeichenbedeutungen keine Einbahnstraße ist, sondern stets und immer wieder neu ausgehandelt wird. Hier allerdings spielen nun seit kurzem verstärkt Debatten um Marken- und Copyright-Rechte eine größere Rolle. Von Jerry Rubins »Do it« aus den Sechzigern über das alte Punk-Motto des »Do it yourself« hin zum »Just Do It«-Slogan von Nike war es auf den ersten Blick nur ein kurzer Weg. Doch wer hat nun die Rechte an dem Slogan? Nicht von ungefähr wird das Thema Copyright und Copyleft in mehreren Arbeiten thematisiert.

Dass Culture Jamming keine Wunderwaffe gegen den sich zunehmend kulturell organisierenden Kapitalismus darstellt, zeigt auch die Textauswahl in der Begleitpublikation. Darin finden sich zahlreiche Textfragmente, die sich allesamt mit dem Verhältnis von Zeichen, gesellschaftlichen Interventionen und dem zunehmenden Wissen um die »Ökonomie der Zeichen« beschäftigen und in denen es u.a. heißt: »Die Verwertungslogik des kapitalistischen Codes ist eine Form der Herrschaftsausübung auf symbolischer Ebene. Unter der Voraussetzung, dass sich mit der Virtualisierung der Warenwelt die Erzeugung von Werten zunehmend in ihrer Rezeption vollzieht, besteht eine Chance, die Wertschöpfungsmechanismen zwar nicht zu durchbrechen, aber doch für eigene Zwecke umzufunktionieren.«

Wie das gehen kann, zeigt »Just do it!« So wird die Kampagne »Deportation Class« ausführlich vorgestellt. Die Imagebeschmutzungskampagne, die über die tödliche Abschiebepraxis der deutschen Bundesregierung und die Beteiligung der Lufthansa aufklärte, war eine breit angelegte Aktion mit vielen unterschiedlichen Beteiligten, die sich mittels direkter Interventionen, einem Plakatwettbewerb und einer Online-Demo, vor allem auch des Firmenlogos und des Firmenimages annahmen. Stellvertretend hierfür steht der von Silke Wagner gestaltete VW-Bus in den Lufthansa-Farben mit der Aufschrift: »Lufttransa Deportation Class«. Die Lufthansa klagte gegen die Gestaltung des Fahrzeugs, verlor jedoch vor Gericht.

Auch das Beispiel der argentinischen Aktivistengruppen Grupo de Arte Callejero, Mesa de Escrache und Cellectivo Situaciones macht deutlich, dass es nicht allein ein verfremdetes Zeichen ist, das politische Wirkung entfaltet. Vielmehr kommt es darauf an, dass spezifische Zeichen in soziale und emanzipatorische Kontexte überführt werden und mit einer politischen Bedeutung versehen werden. In ihrer Gemeinschaftsarbeit dokumentieren die drei Gruppen nächtliche Interventionen im urbanen Raum, bei denen die Verbrechen der argentinischen Militärjunta thematisiert werden. Auf Verkehrsschildern finden sich über Nacht Hinweise auf die Stätten der Verbrechen sowie Angaben zu den Wohnorten der Täter.

Inwieweit Interventionen wie die Internetseite vote-auction.net politisch erfolgreich sind, hängt folglich immer auch davon ab, ob es KunstaktivistInnen und sozialen Bewegungen gelingt, gesellschaftliche Widersprüche in größerem Maßstab zu thematisieren und in politische Auseinandersetzungen umzusetzen. Im Gerangel um die Bedeutung von Zeichen findet sich in der Ausstellung jede Menge hilfreicher Denkanstöße, um das umkämpfte Verhältnis von Zeichen, Gesellschaft, Formen von Widerstand und sozialen Bewegungen zu überdenken, auszuloten und sich zu neuen Aktionen inspirieren zu lassen. Während derzeit überall das Modelabel Prada Meinhof als symbolischer Ausdruck eines sinnentleerten Umgangs mit der Geschichte des bewaffneten Kampfes hierzulande herangezogen wird, taucht in der Ausstellung ein zerrissenes Kleidungsstück dieses Modelabels in einem neuen Kontext auf: als Lunte eines Molotow-Cocktails.