Wo der Hammer hängt

Der republikanische Mehrheitsführer im US-Repräsentantenhaus ist in mehrere Korruptionsaffären verwickelt. Unternehmen und Parteifreunde beginnen, sich von dem einflussreichen Lobbyisten zu distanzieren. von william hiscott

Auf den Treppen zum Eingang des Capitol sammeln sich einmal im Jahr die religiösen US-Kongressabgeordneten und Regierungsmitglieder zum Nationalen Gebetstag. Am Donnerstag der vergangenen Woche war es wieder so weit. Fast alle Politiker mit Rang und Namen haben für den Präsidenten, das Kabinett, den Kongress, die USA und selbstverständlich auch für die Soldaten gebetet.

Ein Politiker aber hatte am diesem Tag eine besondere Aufgabe. Tom DeLay, republikanischer Mehrheitsführer und zweitwichtigster Mann im Repräsentantenhaus, musste sich als Sünder bekennen. »Durch Gott ist alles möglich«, glaubt DeLay. »Sogar große Dinge sind möglich durch niedrige Sünder, wie Sie und ich, besonders ich, es sind. Denken Sie nur darüber nach, was wir alles erreichen können, wenn wir unseren Stolz vor der Tür lassen. Wenn wir weniger Zeit damit verbringen, uns der Verantwortung zu entziehen. Wenn wir weniger Zeit auf unseren Seifenkisten verbringen und mehr Zeit auf den Knien.«

Was brachte DeLay dazu, sich öffentlich vor Gott, seinen Kollegen und dem versammelten Pressekorps zu demütigen? Anders als bei William Clinton, der sich wegen seiner Affäre mit Monika Lewinsky als Sünder bekennen musste, geht es nicht um Sex. Dem »Hammer«, wie DeLay wegen seines knallharten Politikstils genannt wird, wird die Verwicklung in mehrere Korruptionsskandale vorgeworfen.

Aktenkundig beim Ethikkomitee des Repräsentantenhauses ist, dass er sich wiederholt von Lobbyisten Reisen und andere Gefälligkeiten hat bezahlen lassen. Juristische Untersuchungen in Texas haben ihn und drei seiner leitenden Mitarbeiter wegen Sammelns illegaler Wahlkampfspenden im Visier. Er soll Familienmitgliedern Jobs verschafft und ihnen 500 000 Dollar aus seinem Wahlkampffonds bezahlt haben.

Zudem wird er mit »Casino Jack« Abramoff, einem der dubiosesten Lobbyisten der USA, direkt in Verbindung gebracht. Abramoff erpresste Wahlkampfspenden für die Republikaner von der politischen Führung in Indianerreservaten mit der Drohung, der Kongress werde ansonsten die dort geltende Steuerbefreiung für Casinos aufheben. Abramoff behauptet, dass DeLay »alles wusste«.

Der Texaner DeLay ist seit langem bekannt als Meister des »Pay-to-Play« im politischen Geschäft. Interessengruppen und Lobbyisten müssen brav in seine politische Kriegskasse einzahlen, um von den Republikanern im Kongress gehört zu werden. Und mit diesem Geld finanzierte er nicht nur seine Wahlkämpfe in den letzten Jahren, sondern auch die einer Reihe von anderen Republikanern im Repräsentantenhaus.

Seine erkaufte Machtstellung in der Republikanischen Partei erleichterte es ihm bislang, Beschwerden beim Ethikkomitee unbeschadet zu überstehen. Bis vor kurzem genoss er die öffentliche Unterstützung des Weißen Hauses und der republikanischen Führungsriege im Kongress. Noch am 26. April tat Präsident George W. Bush seine Unterstützung für ihn öffentlich kund. Es schien, als werde DeLay die schwer wiegenden Korruptionsvorwürfe erfolgreich aussitzen können.

In den vergangenen Wochen hat sich der Druck auf die Republikaner in Washington jedoch erhöht. Die Vielzahl der Presseberichte und kritischen Kommentare zeitigt langsam Wirkung. Die Los Angeles Times schrieb von »DeLays Bananenrepublik«, die Washington Post und die New York Times scheinen sogar miteinander zu wetteifern, welche Zeitung mehr zum Sturz des einflussreichsten Republikaners beitragen wird. Vor allem aber bringt das Aktionsbüro des linksliberalen Think Tanks Center for American Progress ihn in Schwierigkeiten. Die langfristige Kampagne »Drop the Hammer« ist so erfolgreich, dass DeLay selbst sich äußern musste. »Denkt ihr«, fragte er die Presse, »dass eine linke Gruppe wie diese eine Wirkung haben wird auf die Menschen, die mich und das, was ich erreichen will, unterstützen? Ha, ha, ha. Ich denke nicht.«

In der vergangenen Woche aber begannen DeLays Unterstützer, sich zu verabschieden. Zwei seiner Verbündeten, die von seinen Kriegskassen profitierten, mussten das Ethikkomitee verlassen. Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Dennis Hastert, kündigte an, dass das Ethikomitee nun den Fall DeLay erneut untersuchen und dem Kongress neue Regelungen über die Geldzuwendung von Lobbyisten vorlegen soll. Auch das Justizministerium will nun gegen DeLay ermitteln. Das sind eindeutige Zeichen dafür, dass inzwischen die eigenen Parteikollegen und Begünstigten bereit sind, von ihm abzurücken.

Schlimmer noch für ihn ist der Umstand, dass drei Konzerne, der Telekommunikationsgigant Verizon, der nordamerikanische Zweigkonzern des japanischen Autoherstellers Nissan und die Fluggesellschaft American Airlines, bekanntgaben, dass sie ihre finanzielle Unterstützung DeLays eingestellt haben. Pikanterweise haben diese Konzerne ihre Entscheidung zusammen mit der von DeLay belächelten »Drop the Hammer«-Kampagne öffentlich gemacht.

Den drei Konzernen gilt die Verbindung zu DeLay mittlerweile als imageschädigend, und es ist wahrscheinlich, dass weitere Unternehmen sich von ihm distanzieren werden. Dann würde er die Grundlage seiner Macht und die Nützlichkeit für seine Parteikollegen verlieren. Das dürfte es vielen Republikanern erleichtern, sich von einem Politiker zu trennen, dessen Korruptionsaffären zu einer Belastung für die Partei der »moral values« geworden sind. In einer nationalen Umfrage sprachen sich fast 60 Prozent für einen Rücktritt DeLays aus.

Zudem mindert der Skandal die republikanische Gestaltungsmacht im Kongress. Ohnehin ist die Partei, die 2004 die Wahl mit großem Vorsprung gewann und beide Häuser des Parlaments kontrolliert, bemerkenswert erfolglos bei dem Versuch, die erwünschte »republikanische Ära« durchzusetzen.

Bushs Versuche, das Sozialversicherungssystem zu privatisieren und die Energiegesetze zu liberalisieren, werden durch Widerstand aus den eigenen Reihen blockiert. Der Ernennung John Boltons zum Uno-Botschafter wollen einige Republikaner im Kongress nicht zustimmen, weil sie seine übermäßige Einflussnahme auf den Inhalt einiger wichtiger CIA-Berichte zum Irak und zu Kuba nicht übersehen können. Gegen die geplante Reform des US-amerikanischen Immigrationsregimes gibt es heftige Proteste der republikanischen Rechten.

Die Ernennung einer Reihe von konservativen Bundesrichtern, mit der Bush die christliche Rechte für ihre Unterstützung belohnen will, wird von den Demokraten im Senat blockiert. Und die Bemühungen derRegierung und der Militarbürokratie, die Folterungen durch US-Soldaten als individuelle Verfehlungen darzustellen, haben durch die unerwartete Wende im Prozess gegen Lynndie England einen weiteren Rückschlag erlitten.

DeLay, dem wohl nur noch ein Wunder helfen kann, hat besondere Gründe für seine Demut. Doch auch andere Republikaner hatten gute Gründe, in diesem Jahr besonders inbrünstig zu beten.