Darwin und Jesus

Religion im öffentlichen Bildungssektor der USA von tim blömeke

Bei den laufenden Anhörungen vor dem Kansas State Board of Education zur Frage, ob in öffentlichen Schulen alternativ oder parallel zur Evolutionstheorie die biblische Schöpfungsgeschichte gelehrt werden soll, zeichnet sich ein Kompromiss ab. Intelligent Design lautet die Bezeichnung der Waffenstillstandslinie zwischen Wissenschaft und Religion. Der Begriff steht für die Hypothese, dass die Komplexität der Biosphäre zwar Ergebnis einer Entwicklung sein mag, diese Komplexität aber so hoch ist, dass sie ohne Einflussnahme einer höheren Intelligenz unmöglich zustande gekommen sein kann.

Wirklich zufrieden ist mit diesem Kompromiss niemand. Die Urheber der Kampagne gegen den »Darwinismus« gehören der fundamentalistischen christlichen Rechten an. Sie stört, dass Intelligent Design ihrer wörtlichen Interpretation der Bibel widerspricht, nach der Gott die Welt vor etwa 6000 Jahren erschaffen habe. Die Notwendigkeit, diese Überzeugungen mit den Ergebnissen paläontologischer Forschung zur Deckung zu bringen oder zumindest die Existenz fossiler Saurierskelette zu erklären, führte zu einigen bizarren Versionen der Erdgeschichte (Young Earth Theory), nach denen vor einigen tausend Jahren Menschen neben den Dinosauriern den Erdball bevölkerten.

Der Wissenschaftsbetrieb in Kansas kann durch die Adoption des Intelligent Design zwar die schlimmsten Standortnachteile gerade noch abwenden – man stelle sich einen Vertreter der Young Earth Theory auf einem internationalen Kongress von Evolutionsgenetikern vor. Er muss jedoch den empirisch bis auf weiteres weder zu beweisenden noch zu widerlegenden Einfluss des Göttlichen als zusätzliche Prämisse in sein Theoriegebäude integrieren. Dieser Einfluss ist in der gängigen, empirisch recht gut gestützten Lehrmeinung von zufälliger genetischer Mutation, Entwicklung des Phänotyps (der äußeren Gestalt von Lebewesen) in Wechselbeziehung von Genom und Umwelt sowie der Selektion über den Mechanismus der Fortpflanzung schlicht und einfach überflüssig.

Für die Naturwissenschaft gleicht die Entwicklung der Arten dem bewusstlosen Stolpergang durch ein Minenfeld, literalistische Vulgärtheologen vertreten dagegen das statische Bild einer bewussten Schöpfung der Welt, wie sie ist. Intelligent Design tut nun so, als habe Gott die Arten durch das Minenfeld geführt. Das hat weder mit Wissenschaft noch mit moderner Theologie viel zu tun, sondern ist ein klassischer, im System der Politik angesiedelter Kompromiss. Die Religion verhält sich wie ein Minister vor dem Untersuchungsausschuss und gibt nur das zu, was ohnehin bekannt ist. Dafür verzichtet die ohne politische Einbettung ebenfalls nicht denkbare Wissenschaft auf eine Fortführung der Untersuchung.

In verfeinerter Form findet diese theologisch interpretative Naturwissenschaft auch an öffentlichen Hochschulen statt, etwa im Rahmen einer als Neurotheologie bezeichneten, neuen wissenschaftlichen Strömung. Vor kurzem gelang dem Nuklearmediziner und Neurotheologen Andrew Newberg von der University of Pennsylvania die Bestimmung der bei intensiven Gebets- und Meditationserfahrungen aktiven Hirnareale. Insbesondere fand er heraus, dass die für die Verortung des eigenen Körpers im umgebenden Raum zuständigen Bereiche bei meditierenden buddhistischen Mönchen und betenden Franziskanerinnen nahezu inaktiv sind – die physiologische Entsprechung des Gefühls von Selbstverlust. Er schloss daraus, ganz im Geiste des Intelligent Design, das Erzeugen religiöser Erfahrungen sei Zweck jener Teile der menschlichen Hirnarchitektur.