Der Meister der Weltmeister

Don King ist der berühmteste und gefährlichste Boxpromoter der Welt. Jack Newfields Buch über ihn erscheint nun in einer Neuauflage. von martin krauss

Chris Byrd ist bei dem Boxpromoter Don King unter Vertrag. Lamon Brewster und John Ruiz auch. Die drei sind in unterschiedlichen Verbänden Weltmeister im Schwergewichtsboxen. John Ruiz, Titelträger der WBA und US-Amerikaner aus puertoricanischer Familie, behält seinen Titel, obwohl er Ende April gegen James Toney verloren hat. Aber Toney wurde später des Dopings überführt, und so gehören Don King weiterhin drei Weltmeister der vier wichtigsten Weltverbände.

Nicht zu Don King Productions, abgekürzt: DKP, gehört der ukrainische Boxer Vitali Klitschko, Schwergewichtsweltmeister der WBC. Dabei hat sich King gleichermaßen um ihn wie auch um seinen Bruder Wladimir gekümmert. »King lud uns zu sich nach Hause nach Las Vegas ein«, berichtete Vitali jüngst dem amerikanischen Playboy. Und King, der gegen seinen Ruf als brutaler Geschäftsmann mit Hang zu vulgärer Beschimpfung mit seinen Gegenübern schon mal über Montesquieu und Machiavelli, über Nietzsche, Marx und Voltaire parliert, wollte sich den beiden promovierten Boxprofis als Kunstliebhaber präsentieren. »Er setzte sich ans Klavier, und spielte erstklassig, ich war überrascht. Dann sah ich, dass sich die Fußpedale des Pianos von alleine bewegten, seine Füße standen daneben. Das Klavier spielte automatisch. Da wusste ich, mit dem Kerl muss man vorsichtig sein.«

Die Klitschkos wären zwar nicht die ersten weißen Boxer gewesen, die Don King betreut hätte, aber Weiße sind nicht seine Spezialität. Don King wurde vor allem deswegen der größte, berühmteste und gefährlichste Boxpromoter der Welt, weil er sich schwarzen Boxern als ihr Brother andiente, sie im Glauben ließ, sie kämpften für eine gute Sache, sie auspresste und jede Kritik an ihm als Rassismus bezeichnete.

Seinem Biografen Jack Newfield verweigerte King ein Interview und gab als Begründung an: »Weil ich an dem Tag, an dem Ihr Buch erscheint, eine Pressekonferenz einberufen und der ganzen Welt erklären möchte, dass dieser weiße Junge nicht mal den Anstand hatte, mit diesem armen Nigger zu sprechen.« Newfields Buch kam heraus, auf seiner Grundlage wurde eine mit einem »Emmy« gewürdige TV-Dokumentation gedreht, und mittlerweile ist es auch auf Deutsch zu haben.

Minuziös und glänzend geschrieben (by the way: auch glänzend übersetzt) zeichnet Newfield den Aufstieg Kings zur gleichermaßen wichtigsten wie zwielichtigsten Figur des Weltboxens nach: Wie er 1954 einen Mann erschoss und mit der Rechtfertigung »Notwehr« davonkam. Und wie er 1966 nachweislich – Newfield bringt den Nachweis – ohne angegriffen zu sein, einen Mann zu Tode prügelte und danach durch versuchte Polizisten- und erfolgreiche Richterbestechung nach nur drei Jahren wegen Totschlags wieder ein freier Mann wurde.

Newfield hat alle ehemaligen Boxer, ehemaligen Geschäftspartner, ehemaligen Freunde Kings aufgesucht, und die allermeisten können von Verrat und Betrug berichten. Jeff Merrit etwa, der erste von King gemanagte Boxer. King begann 1973 dessen von Knast und Drogen geprägtes Leben zu vermarkten, tönte, dass er dem Jungen helfen wollte, und als er einen Kampf verlor, ließ ihn King fallen. Später fiel er am Rande von Boxkämpfen als cracksüchtiger Bettler auf.

Oder George Foreman, den King als Schwergewichtsweltmeister betreute und für den er im Jahr 1974 den »Rumble in the Jungle« gegen Muhammad Ali veranstaltete. Als Foreman verlor, bändelte King mit dem neuen Weltmeister Ali an und ließ Foreman fallen.

Oder Muhammad Ali selbst, den King 1980 mit einer versprochenen Gage von acht Millionen Dollar zu einem Comeback und einem WM-Kampf gegen Larry Holmes überredete. Ali war zu diesem Zeitpunkt schon krank und hätte nicht boxen dürfen. Er tat es dennoch und verlor. King zahlte Ali mehr als eine Million Dollar weniger Gage als vereinbart.

Oder Tim Witherspoon, dem King nach einem Kampf eine Spesenrechnung vorlegte, in der er das Trainingscamp für 28 Tage à 100 Dollar berechnete, was bei ihm 28 000 Dollar ergab.

Oder Mike Tyson, dessen Co-Manager Jim Jacobs im Jahr 1988 starb; King begab sich uneingeladen auf die Trauerfeier, schlich sich an den trauernden jungen Mann, dem nach seinem Trainer nun auch sein verehrter Manager gestorben war, heran, nahm ihn unter Vertrag , nahm ihn aus und beschiss ihn um etliche Millionen.

Jack Newfield weist all das nach, und er macht es in der besten Tradition des amerikanischen Sportjournalismus, der sowohl was die Recherche als auch was die literarische Präsentation angeht, zum besten Journalismus überhaupt gehört. Newfield zeigt, dass Don King ein Vertreter der seltenen Spezies Schwarzer ist, die des Rassismus bedürfen, ihn herbeisehen, sich bei ihm bedienen und von ihm profitieren.

Mit Unterstützung von Muhammad Ali wurde Ende der neunziger Jahre ein Gesetz auf den Weg gebracht, wonach ein Manager und ein Promoter nicht identisch sein dürfen (eine Regelung, ganz nebenbei, die in Deutschland immer noch üblich ist). Der Manager soll nämlich den Boxer gegenüber dem Promoter, der ja als Unternehmer die Boxabende veranstaltet, vertreten. Während der Manager also eine hohe Gage für den Kämpfer fordert, versucht der Promoter, die Gage zu drücken. Das Gesetz kam durch, Don King agierte künftig nur noch als Promoter, aber das Management übernahm Carl King, Dons Stiefsohn, und das Geschäft läuft legal weiter.

Zur Zeit hat Don King drei Schwergewichtsweltmeister unter Vertrag: Byrd, Brewster und Ruiz. Mit allen dreien ist er nicht glücklich. Einen Schwarzen als Weltmeister zu präsentieren, ist keine Sensation mehr, und Brewster und Byrd sind auch nicht die Typen, die im Vergleich zu den großen Namen früherer Tage überzeugen. Und John Ruiz, ein Amerikaner mit puertoricanischen Wurzeln, ist zwar der erste Latino als Schwergewichtsweltmeister, aber sein Boxstil ist derart unattraktiv, klammernd und schubsend, dass selbst Don King ihn gerne ersetzt sähe.

King ist mittlerweile über siebzig Jahre alt und tatsächlich gelassener geworden. Im Vorwort zur Neuauflage resümiert Newfield, wie Don King auf sein doch bemerkenswert wirkungsvolles Buch reagiert hat. »Unsere Feindseligkeit begann zu schwinden, als wir uns 1995 in der Herrentoilette des Bundesgerichts begegneten. Ich hatte die Rechte an diesem Buch gerade an HBO verkauft, und King hatte von der Transaktion gelesen. Er blickte mich von dem angrenzenden Urinal her an und brach ein angespanntes Schweigen. ›Ich habe gelesen‹, sagte King mit einem brüllenden Lachen, ›dass ich jetzt Ihre ganze gottverdammte Familie ernähre.‹ Da konnte ich nur laut loslachen und mit dem Kopf nicken.«

Jack Newfield: Mit harten Bandagen. Über das Leben und andere Geschäfte des Don King. Bombus Media, 442 Seiten, 19,90 Euro