Oskar wählen!

Debüt der »Wahlalternative« von jörg kronauer

Schrummeldibumm! Die Kindermusik stoppt. »Das ist der Reinhard«, plappert der Märchenonkel im Radio vor sich hin. »Reinhard ist leider arbeitslos geworden, weil sein Chef lieber eine teure Maschine gekauft hat.« Und weil so viele Chefs so viele teure Maschinen kaufen, sind so viele Menschen arbeitslos: »Außer Reinhard gibt es noch etwa fünf Millionen andere Leute ohne Job.«

So stumpf wie der Rundfunkwerbespot der Partei »Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative«, kurz: Wasg, kommt ihr ganzer Wahlkampf daher. »Pisa gibt es auch in NRW«, lautet der gehaltvollste Plakatslogan der Partei. Untermalt ist er, grandios lustig, mit einem schief stehenden Kölner Dom. »Bitte verhüten!« steht auf einem anderen Plakat, auf dem ein rotes und ein schwarzes Sockenpaar unter einer Bettdecke hervorlugen. Ähnlich geistreich warnt die Wasg vor einer Neuauflage von Rot-Grün.

Mehr als eine formale Abgrenzung von den konkurrierenden Parteien hat die »Wahlalternative« kaum zu bieten. Gegründet wurde sie, um den Protest gegen den Sozialabbau der Bundesregierung zu bündeln. Sie »versteht sich als Sammlungsbewegung für Menschen unterschiedlicher politischer und sozialer Herkunft«, heißt es entsprechend im Gründungsprogramm vom Januar 2005. Doch sozialdemokratisch orientierte Gewerkschafter haben das Sagen in der Organisation und verhindern, dass linke Kritik an Einfluss gewinnt.

Hartz IV ist weiterhin das zentrale Thema der Partei. »Leider merkt Reinhard schnell, dass das Geld, das er jetzt bekommt, vorn und hinten nicht zum Leben reicht«, brabbelt der Märchenonkel im Radio weiter. »Reinhard ist traurig. Er hatte die Menschen, die das neue Gesetz gemacht haben, doch gewählt, damit sie ihm helfen, schnell wieder einen Job zu finden.« Solch bösen Wahlbetrug, beteuert die Wasg, wird es mit ihr nicht geben: »Wir wollen eine politische Praxis entwickeln, die unsere Positionen glaubwürdig zur Geltung bringt.«

Glaubwürdig? Positionen? »Wir beharren auf den Grundsätzen des Sozialstaates«, heißt es im Programm. »Damit wenden wir uns nicht gegen Reformen.« Das klingt nicht anders als in der SPD, deren Dunstkreis einflussreiche Mitglieder der neuen Partei entstammen. Zugleich ist die Rede von »Pluralität«. »Keynes oder Marx oder beides?« Tatsächlich forderte das Vorstandsmitglied Herbert Schui auf dem Dortmunder Bundesparteitag eine »Synthese von Marx und Keynes«. Hätte die Wasg die Frage nicht längst zugunsten von Keynes entschieden, könnte man sich an die frühe Phase der Grünen erinnert fühlen.

Doch die Wasg glaubt offenbar selbst nicht recht, so weit zu kommen wie die Ökopartei. Das Wahlziel in Nordrhein-Westfalen scheint jedenfalls weniger der Einzug in den Landtag zu sein als vielmehr, dass den »Übertrittssignalen« prominenter Sozialdemokraten Taten folgen. Diesen Eindruck vermittelte ihr Sprecher Murat Cakir nach dem Bundesparteitag im Gespräch mit der taz. Ob dafür zwei oder drei Prozent der Stimmen gewonnen werden müssen, ist derzeit noch umstritten. Wer die Wasg wählt, wählt also möglicherweise keine Abgeordneten in den Landtag, dafür aber Oskar Lafontaine und Ottmar Schreiner aus der SPD. Das ist gelebte Demokratie.

Reinhard allerdings macht sich darüber keine Gedanken. Der Märchenonkel im Radio ist inzwischen verstummt, ein väterlicher Ratgeber hat ihn zum Schweigen gebracht. »Für Reinhard gibt es eine Alternative«, verkündet er: »Die Wahlalternative. Damit auch Reinhard eine Chance auf einen Arbeitsplatz in Deutschland bekommt.«