Dickes Ende

Rauchen und sterben von stefan ripplinger

Kürzlich erschien mir eine gute Fee. »Ich bin von der Agentur für Arbeit«, sprach sie, »du darfst dir einen Job wünschen.« »Einen?« neckte ich sie, »waren es früher nicht immer drei?« – »Du kannst statt eines Jobs auch drei Mini-Jobs haben«, versetzte sie kühl. Da wusste ich, dass ich nicht länger zögern sollte. »Na gut«, sagte ich, »ich will Texter bei den europäischen Gesundheitsministern werden.«

»Wie?« Sie blätterte in ihren Unterlagen. »Was soll das denn sein?« – »Texter bei der EU. Das sind die Leute, die diese phantastischen Sprüche auf meine Zigarillo-Schachteln schreiben.« – »Ich rauche nicht«, sagte die Fee. »Diese Sätze wirst du doch schon einmal gesehen haben?« fragte ich ungläubig. »Ich kenne niemanden, der raucht. Ich bin von der Agentur für Arbeit und nicht von der für Selbstmord.« Aber ich ließ nicht locker: »Erst stand da nur: ›Rauchen ist womöglich doch nicht ganz gesund‹, oder so ähnlich.« – »Dafür brauchen die einen Texter?« fragte die Fee. – »Warte, warte. Der Satz war ja nur wie der einzelne Tropfen Blut, der in einem Horrorfilm von der Decke fällt, an die, wie sich wenig später herausstellt, eine frische Leiche genagelt ist. Bald schon hieß es: ›Rauchen führt zu einem langsamen und schmerzhaften Tod‹ oder ›Rauchen wird Ihr hübsches Gesicht in eine Masse Gallert verwandeln‹.« – »Das steht da?« – »Ungefähr. Oder ›Rauchen lässt Ihre Haut fahl und trocken werden, bis sie eines Tages von Ihrem Fleisch fällt wie Blätter im Herbst‹ oder …« – »Schon gut, ich hab’s kapiert. Also Texter. Und gibt es da auch genug Arbeit?«

Ihr Einwand schien ganz vernünftig. »Ich könnte ja«, überlegte ich, »wenn die Rauchwaren abgedeckt sind, auch die Messer betexten. ›Messer führen zu einem blutigen Tod.‹ Oder: ›Von Messern Verletzte winden sich oft noch Minuten in Spasmen, spucken Galle und …‹« – »Ich sehe schon, der Job könnte dir Spaß machen«, unterbrach mich die Fee und schwenkte ihren Stab wie Furtwängler. Es passierte gar nichts. Sie wirbelte ihn nochmal herum, schlug ihn an ihrem Schreibtisch auf. Nichts. »Scheißding«, knurrte sie und warf den Zauberstab in den Papierkorb, als ob es nur ein leerer Tintenstift wäre. »Okay, ist notiert«, sagte sie und tippte sich an die Schläfe.

Ich konnte mein Pech noch nicht ganz fassen. »Hab’ ich den Job jetzt?« – »Ich rufe dich an.« Zwar hatte ich mich bereits erhoben, nahm aber noch einen letzten Anlauf: »Wovon soll ich denn meine Zigarren bezahlen?« »Nächsten Monat darfst du dir wieder einen Job wünschen«, beschied sie mich, »aber gewöhn’ dir bis dahin das Rauchen ab, sonst kriegst du niemals einen.«

Auf dem Heimweg tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass es unter den vielen Millionen alberner Berufe einer der albernsten ist, den Rauchern Angst einzujagen. Das heißt doch, aus Erwachsenen Kinder zu machen. Denn zeugt es nicht von eines Geschmack und Reife, gewählt zu haben, wovor er Angst zu haben gedenkt? Ob vor dem dicken Ende oder vor der Gran Corona? David Hockney schrieb in einem Leserbrief an Vanity Fair, wir stürben nicht am Rauchen, sondern an dem Umstand, dass wir geboren sind.