Vier vor der Tür

Die Reform der Uno von jörn schulz

Ein Tiefschlag für Bundeskanzler Gerhard Schröder kam von der US-Außenministerin Condoleezza Rice. Ihrer Ansicht nach gibt es nur »sehr schwache Gründe dafür, einem weiteren Mitglied der Europäischen Union einen permanenten Sitz« im UN-Sicherheitsrat zuzugestehen, berichtete die Washington Post am Mittwoch der vergangenen Woche. Offiziell bestätigen mochte die US-Regierung den Bericht nicht, die Vorbehalte gegen den Einzug Deutschlands in das höchste UN-Gremium sind jedoch seit längerem bekannt.

Die ablehnende Haltung der US-Regierung war die Reaktion auf die Kritik an der Politik George W. Bushs, von der man jedoch hoffte, sie würde den deutschen Ambitionen die Unterstützung vieler anderer Konkurrenten und Gegner der USA einbringen. Deutschland hat sich mit Japan, Indien und Brasilien, die sich ebenfalls zur ständigen Anwesenheit im Sicherheitsrat berufen fühlen, zusammengeschlossen. Diese »Viererbande« ließ am Montag der vergangenen Woche einen Resolutionsentwurf zirkulieren, der ihre Ansprüche formuliert.

»Einen solchen Schritt hastig zu unternehmen, wird die Gegensätze nur verstärken«, nörgelte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Kong Quan. Er wünscht »umfassende Diskussionen und einstimmige Vereinbarungen«. Das war der zweite Tiefschlag. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte wohl gehofft, die Freude über seinen Vorschlag, das EU-Waffenembargo gegen China aufzuheben, sei so groß, dass die Regierung in Peking die deutschen Ambitionen unterstützen würde. Doch die Chinesen sehen keinen Grund zu übermäßiger Eile bei der Reform der Uno. Wie Großbritannien, Frankreich, Russland und die USA, die anderen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats mit Vetorecht, wollen sie ihre Privilegien nicht mit anderen teilen.

Es ist schwer, den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass der Einzug der Viererbande in den Sicherheitsrat auch zu ihrem Vorteil wäre. Es gibt eine Reihe nationalistischer Vorbehalte. China will auf jeden Fall Japan aus dem Sicherheitsrat heraushalten, Pakistan will dem übermächtigen Indien nicht auch noch einen besonderen diplomatischen Status zugestehen, Mexiko fürchtet einen weiteren Machtzuwachs Brasiliens, und Italien mag nicht einsehen, warum ausgerechnet Deutschland als dritter europäischer Staat einen Sitz erhalten soll.

Bereits vor dem Beginn der offiziellen Verhandlungen ist deutlich geworden, wie absurd die von den UN-Reformern propagierte Idee ist, ein Staat solle eine Region vertreten. Gerade innerhalb einer Region ist der Widerstand gegen den Machtzuwachs der ohnehin dominierenden Staaten am größten.

In der Reform der Uno geht es nicht darum, die globalen Institutionen zu demokratisieren. Vielmehr soll der Sicherheitsrat, wie Generalsekretär Kofi Annan in seinem Reformplan erläutert, so verändert werden, dass er »die heutige geopolitische Wirklichkeit in stärkerem Maße repräsentiert«. Ökonomische Macht und militärische Stärke sind die wichtigsten Kriterien für die Aufnahme neuer Mitglieder.

Offenbar hat die Viererbande die geopolitische Wirklichkeit jedoch falsch eingeschätzt. Sie wünscht eine »multipolare Weltordnung«, muss nun aber feststellen, dass sich die vielen Pole nicht so einfach für ihre Interessen ausnutzen lassen. Das voraussichtliche Scheitern insbesondere der deutschen Ambitionen ist erfreulich, mit der Zahl der Konkurrenten wächst jedoch die Gefahr bewaffneter Konflikte. Aber auch für dieses Problem hat Annan eine Lösung. Zukünftig soll der Sicherheitsrat »die volle Autorität für die Anwendung militärischer Gewalt, auch präventiv«, erhalten.