Vor dem Tag Y

Die BewohnerInnen der Yorckstraße 59 bereiten sich auf die angekündigte Räumung ihres Hauses vor. von christoph villinger

Der Weltuntergang ist verschoben, um sieben Tage und eine Stunde. Statt wie zuvor angekündigt am 30. Mai um 6 Uhr morgens will der Gerichtsvollzieher Thomas Luedtke nun am Montag, dem 6. Juni, bereits um 5 Uhr die Räumung des alternativen Hausprojekts im Hinterhaus der Yorckstraße 59 verlangen. Per »Amtshilfe« angeforderte Beamte der Berliner Polizei werden ihn vermutlich in großer Zahl begleiten.

Aber auch die rund 60 BewohnerInnen der »Yorck 59« dürften dann nicht unter sich sein. »Wir hoffen, dass an diesem Morgen mehrere Hundert Menschen mit uns im Haus anwesend sein werden«, sagt Katja Krüger, eine langjährige Bewohnerin des Hauses. Unter anderem mit dem Abschluss von »Patenschaften«, für die zurzeit auch bei Prominenten geworben wird, soll die Räumung in letzter Minute auf politischem Wege verhindert werden.

Alle bisherigen Versuche, mit Hilfe von Berliner PolitikerInnen der SPD, der Grünen und der PDS doch noch zu einer Einigung mit dem Hauseigentümer Marc Walter und seinem Verwalter, Boris Gregor Marweld, zu kommen, scheinen gescheitert. Der von einem hochkarätig besetzten »Runden Tisch« vorgeschlagene Ringtausch, bei dem Walter ein Ersatzgrundstück vom Senat erhalten und die BewohnerInnen der Yorck 59 ihr Haus dem Senat mit Unterstützung des Freiburger Mietshäuser-Syndikats abgekauft hätten, wird wohl nicht stattfinden. Zum einen ist die Forderung Walters, der 2,5 Millionen Euro für die Immobilie verlangt, völlig überzogen. Vor etwa einem Jahr hat er das Haus für 1,45 Millionen Euro erworben. Zum anderen betonen die Mitglieder des rot-roten Senats zwar stets ihren guten Willen, verweisen aber gleichzeitig auf haushaltsrechtliche Bedenken. Klartext redete vor wenigen Tagen die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD). »Es gibt in Berlin genügend Räume für ein selbst bestimmtes Leben«, sagte sie nach einem Treffen mit den BewohnerInnen und nannte den Konflikt um das Haus in der Yorckstraße einen »zivilrechtlichen Streit«.

Als Vorwand ihrer Parteinahme für den Hausbesitzer dient mittlerweile vielen SPD-PolitikerInnen der kurzzeitige Ausflug einer Büste von Willy Brandt, die ihren Platz ansonsten in der Berliner SPD-Parteizentrale im Bezirk Wedding hat, vor zwei Wochen. Da verstehen die Genossinnen und Genossen offensichtlich keinen Spaß. Auch dass »Willy« bereits nach einem Tag zurückkam, besänftigte sie nicht.

Die BewohnerInnen der Yorckstraße 59 versuchen weiterhin, mit vielfältigen Aktionen politischen Druck aufzubauen, um die Räumung zu verhindern. Sie veranstalteten unter anderem Podiumsdiskussionen zur Umstrukturierung Berlins, um einen Bezug zu anderen gefährdeten Objekten herzustellen, demonstrierten mehrfach für ihr Haus und ließen am 18. Mai die Privatwohnung des Hausbesitzers in der Charlottenburger Mommsenstraße von der »Polizeieinheit 59« symbolisch »räumen«. Der Schriftzug »Yorck 59 bleibt« ist in der Stadt ungefähr so häufig zu finden wie »Einfahrt freihalten«.

So haben die BewohnerInnen der Yorckstraße 59 inzwischen wenigstens eins erreicht: Sie sind zum Stadtgespräch geworden, und auch der Senat kommt nicht umhin, sich mit der Sache zu beschäftigen. Nach der Besetzung des Bezirksamtes in Kreuzberg im April eilte sogar der Innensenator Ehrhart Körting (SPD) herbei und stand über eine Stunde lang zum Gespräch zur Verfügung.

Folglich wird nun spekuliert, ob die Verschiebung des Räumungstermins politische Gründe haben könnte. Rechnet der Senat womöglich mit einer »Bambule« nach Hamburger Vorbild? Fürchtet er schon den Zorn der BewohnerInnen? Dass man auch nach einer Räumung von ihnen hören könnte, ist nicht unwahrscheinlich.