Der Volkswirt des Herrn

ich-ag der woche

Ein Pfaffe muss nicht in der Hitlerjugend gewesen sein, damit er seinen Schäflein im Weinberg des Herrn den deutschen Weg weisen kann. Das hat Bischof Wolfgang Huber, der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, anlässlich des Kirchentags in Hannover eindrucksvoll bewiesen. Mit dem Schlachtruf »Völker, hört die Signale – einer religiösen Erneuerung« dröhnte er gegen »selbst ernannte Säkularisierungspäpste« und anderes Gesindel, vor allem gegen jene Individualitätssüchtigen, die glauben, »man könne persönliche Identität nach einem Patchworksystem zusammenbauen«.

Dass die Entfaltung von Autonomie unter den Bedingungen der Wertvergesellschaftung tatsächlich ein Ding der Unmöglichkeit bleibt, ist dem Betbruder natürlich piepe. Schließlich will er bei den um ihr Leben Betrogenen nur seinen ideologischen Müll loswerden, und dazu muss statt der Vernunft der Bauch regieren. »Mit der Rückkehr der Religionen rebelliert die Seele der Menschen gegen ihre kommerzielle Reduktion.« Außerdem müsse endlich Schluss sein mit dem »Traditionsabbruch der letzten Jahrzehnte«.

Wie diese »Weitergabe von Ererbtem, die Weitergabe von Traditionen« aussehen soll, ließ er offen. Schließlich kann er sich darauf verlassen, dass seine deutsche »Volkskirche« in solchen Fragen ein hervorragender Publikumsjoker ist. Auf diesem Weg wird ihm so einiges geflüstert: »Die ›Neue Deutsche Welle‹ in der Musik, so sagen mir Kundige, wendet sich den Themen von Glauben und Vertrauen, von Halt und Sinn zu.« Und das Krisenlösungsmodell Deutschland lautet nun einmal Volksgemeinschaft, und nicht Stärkung der Patchwork- oder sonstigen Individualität. Deshalb wettert der Volkswirt des Herrn gegen den Traditionsbruch – »nicht aus einer rückwärts gewandten Sehnsucht, sondern aus Verantwortung für die Zukunft«.

thorsten fuchshuber