Nachrichten

Der Showdown

Kanzlerduell. Vor drei Jahren – erinnern Sie sich? – waren die Kanzlerduelle zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber die Fernsehereignisse schlechthin. Es wurde so getan, als könnte man ein wenig amerikanischen Wahlkampfglamour auch nach Deutschland importieren, und das wollte sich niemand entgehen lassen.

Dieses Jahr möchte man das Duell zwischen den rivalisierenden Kandidaten wiederholen. Weil es doch schön war. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender gab bereits bekannt: »Wir wollen die Debatte der Kontrahenten fördern«, und meint damit, dass man wieder langweilige Fragen beantwortet wissen möchte und vor allem streng darauf achten wird, dass auch ja alle Duellregeln befolgt werden. Peter Kloeppel und Thomas Kausch sollen die geplanten Duelle bei RTL und Sat.1 leiten, Maybrit Illner und eventuell Sabine Christiansen sollen bei der ARD und dem ZDF zum Zuge kommen.

Wir sind jetzt schon gespannt darauf, wie nach dem Duell tagelang Angela Merkels Frisur und Gerhard Schröders Körperhaltung analysiert wird, schließlich wird beides für extrem wahlentscheidend gehalten. (aha)

Mehr Richard Wagner

Kulturpolitik. Dass es hinsichtlich kultureller Belange unter Schwarz-Gelb noch schlimmer werden könnte als unter Rot-Grün, das zeichnet sich bereits ab. Ob es den Posten des Kulturstaatsministers weiterhin geben soll, ist ungewiss, dies freilich kann kaum schockieren, da man eh nie wusste, was der Kulturstaatsminister überhaupt zu melden hat.

Problematischer ist da schon, dass auch sozialdemokratische Kultureinrichtungen wie die Bundeskulturstifung anscheinend auf der Kippe stehen. Die Bundeskulturstiftung hat immerhin unheimlich viel Geld für teilweise alles andere als staatstragende Projekte aus dem Fenster geschmissen. Sie hat Kommunismuskongresse finanziert, linke Buchläden und die halbe Berliner Kunstbohemeszene.

Angela Merkel und die Ihren haben freilich eine ganz andere Vorstellung davon, was Kultur sei. Diese sei wichtig, so schrieb die angehende Kanzlerkandidatin der CDU in einem Leitartikel für die Zeitung des Deutschen Kulturrats, Politik und Kultur, für die »Identität der Deutschen«.

Der SPD und den Grünen kann man freilich auch keine besondere Nähe zur Kultur nachsagen. Sie ist ihnen eher egal. Gerhard Schröder findet die Scorpions dufte und die Hausband der SPD ist Pur, das sagt eigentlich schon alles. Doch da Rot-Grün die Kultur eher egal ist, kann die Kultur auch einigermaßen machen, was sie will. Angela Merkel jedoch, das vermutet die Süddeutsche Zeitung bereits, möchte die Künstler vereinnahmen, außerdem hoffe sie, dass diese »uns fit machen für nationale Kraftanstrengungen«. Neuer Staatsdichter wird also Martin Walser, der damit Günter Grass ablöst. So sieht man sich in der Verlegenheit, sagen zu müssen: dann doch lieber Grass. (aha)

1 000 Zeichen Irgendwas

Kolumnen. Sibylle Berg ist toll. Sie schreibt mit Verve, findet die richtigen Dinge schlimm und tut dies gerne mit großem Furor kund. Dafür muss man sie lieben. Doch sie macht einen Fehler, sie beginnt, uns als Kolumnistin auf den Wecker zu gehen. Das Problem dabei ist weniger sie selbst als ihre Kollegen. Das Problem sind Kolumnenhausierer wie Feridun Zaimoglu, Maxim Biller und Wladimir Kaminer, die jedes zweite Stadtmagazin und Zeitungen aller Art mit ihren Kolumnen flächendeckend zuschmieren. Und das in einer Penetranz, dass man wirklich nur noch die weiße Fahne hissen kann.

Diese Berufskolumnisten haben die Gattung der Kolumne in Deutschland einfach totgetreten. In ihren eitlen Selbstbespiegelungen geht es nur noch um die Autoren selbst, nichts deutet mehr darauf hin, dass hier auch tiefere Wahrheiten in amüsanter Art verbreitet werden, Kolumnen von Kolumnen-Hausierern sind schlicht das Grauen.

Sibylle Berg müsste das eigentlich wissen. Und trotzdem hat sie ab sofort nach ihrer erst vor kurzem übernommenen Kolumne in der Zeit schon wieder einen Zeilenschinderjob übernommen: Ab sofort schreibt sie »Beiseite« in dem Literaturmagazin Literaturen voll. Was ist los, braucht sie das Geld?

Zwar ist das, was sie in der aktuellen Literaturen über das Ende des Berlin-Roman-Booms schreibt, interessanter als all das, was man von ihr in der Zeit lesen konnte, aber es geht ums Prinzip: Kolumnen sollte man erst wieder schreiben, wenn Wladimir Kaminer endlich darauf verzichtet, im Wochenturnus von seinen Erlebnissen in Charlottenburger Bäckereien zu berichten. (aha)

Ein Wunder ist geschehen

Deutscher Schlager. »Mein Freund, der Baum, ist tot« heißt eine Single der jungen Band The Czars. Sie erscheint als so genannte Exklusiv-Single, und man fragt sich, was das Ganze eigentlich sein soll. Denn »Mein Freund, der Baum, ist tot« ist im Original von Alexandra und ein ganz, ganz schlimmer Birkenstock- und Wollpulloverträgerhit, der zu echten Tränen heute nur noch Menschen rührt, die zu jung sind, um es besser wissen zu können, oder solche, die Hannes Wader ganz im Ernst für einen wirklich Großen halten. The Czars jedoch kommen aus Kanada, und das macht ihre Interpretation, bei der der deutsche Text beibehalten wurde, wiederum interessant.

Denn The Czars haben sich offensichtlich nicht darum gekümmert, in welcher traurigen Traditionslinie des deutschen Schlagers dieser Song zu sehen ist. Ihnen ging es auch nicht um eine ironische Haltung, die eine deutsche Band diesem Song gegenüber beinahe zwangsweise einnehmen müsste, die aber schon per se unerträglich ist. Sie wollten den Song auch nicht »ernsthaft« covern, so wie das Kölner Technoacts gerne mal bei deutschen Schlagern machen. Nein, sie haben den Song offensichtlich einfach nur schön gefunden, er hat sie berührt. Und tatsächlich: Gecovert von der kanadischen Band The Czars, entfaltet »Mein Freund, der Baum, ist tot« eine Dramatik und Größe, wie man es nie für möglich gehalten hätte. (aha)