Neuzugänge im Zoo

Zwischen Zebras und Pavianen soll im Augsburger Zoo vorübergehend ein afrikanisches Dorf aufgebaut werden. Kritiker fühlen sich an die Zeit der »Völkerschauen« erinnert. von anke schwarzer

Holzfiguren, Perlenschmuck, farbenfrohe Kente-Gewänder, Jembes und Congas liegen an Verkaufsständen aus. Frauen flechten Haarzöpfe, Trommelmusik ertönt. Statt Wurst und Pommes werden Teller mit Couscous, Fufu oder Akara gereicht. So etwas kann man an vielen Orten in Deutschland erleben, zum Beispiel auf dem Afrikanischen Markt in Hamburg, beim Africa-Festival in Würzburg oder bei den Afrika-Tagen in München.

In der Regel werden solche Ereignisse mit Worten wie »pulsierend«, »Feuerwerk versprühend«, »bunt« und »exotisch« beworben. Die Veranstaltungen inszenieren eine heile, sehr traditionelle Welt, die weder mit der Realität in vielen afrikanischen Regionen noch mit jener der hier lebenden schwarzen Menschen allzu viel zu tun hat. Gleichzeitig bieten sie aber auch Kunst- und Musikveranstaltungen, die ansonsten im deutschen Kulturbetrieb oft untergehen.

Gewöhnlich finden diese Ereignisse in Parks, Fußgängerzonen oder Sportstadien statt. In Augsburg wurde jedoch ein ganz spezieller Ort ausgesucht. »Ein Zoobesuch mit Überraschung: Für vier Tage entsteht im Augsburger Tierpark ein afrikanisches Dorf. Um eine einmalige afrikanische Steppenlandschaft gruppieren sich Kunsthandwerker, Silberschmiede, Korbflechter, Zöpfchenflechter.« So preist der Augsburger Zoo sein »African Village« an, das vom 9. bis 12. Juni zwischen Pavian- und Zebragehege zu sehen sein soll.

Möglicherweise werden die Besucher dort nicht nur von Trommlern, Geschichtenerzählern und Tänzern »überrascht«, sondern auch von Protesten gegen diese Veranstaltung. »Mit ausgesprochenem Befremden hat die Schwarze deutsche Community zur Kenntnis genommen, dass im Augsburger Zoo eine Art afrikanisches Dorf entstehen soll«, schreiben vier Wissenschaftler und Aktivisten in einem Protestbrief von Deutschen afrikanischer Herkunft an die Zoodirektorin Barbara Jantschke. Die Berliner Historikerin Nicola Lauré al-Samarai und Tahir Della von der »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« (ISD) kritisieren darin, dass sich die Veranstalter nicht um die historische Dimension des Projektes scherten. »Es handelt sich um eine in konzeptioneller wie praktischer Hinsicht direkt in der Tradition der Völkerschauen stehende Veranstaltung«, sagen sie.

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich in Mitteleuropa und Nordamerika eine neue Form des Unterhaltungsgeschäfts herausgebildet: die so genannten Völkerschauen auf Jahrmärkten und in Tierparks. Ausgehend von den so genannten Freak Shows des 18. Jahrhunderts, in denen Menschen und Tiere mit körperlichen Missbildungen zur Schau gestellt wurden, entwickelten sich die »Menschenzoos« zu einem Publikumsmagneten. Der Ethnologin Hilke Thode-Arora zufolge fanden in Deutschland zwischen 1870 und 1940 mehrere hundert Völkerschauen statt, schätzungsweise 2 000 bis 3 000 Menschen traten bis zum Jahr 1933 in ihnen auf und setzen häufig ihre Gesundheit aufs Spiel. Gewöhnlich enthielten die Vorführungen drei Grundelemente: Kampfszenen, Tanz und Musik. Typischerweise folgte auf eine friedliche Dorfszene ein Angriff, bei dem zum Beispiel eine Frau geraubt wurde und der weitere Kämpfe nach sich zog. Schließlich kam es zum Friedensschluss oder zu einer Hochzeit, welche die Gelegenheit für Musik und Tanz boten. Landschaftsszenerien und Kulissenbauten aus der »Heimatregion« der Darsteller sorgten für pseudo-authentische Eindrücke, an Ständen konnten die Besucher afrikanische Speisen kosten und Kunsthandwerk erwerben.

Zusätzlich gaben fast alle Veranstalter, etwa Hagenbecks Tierpark in Hamburg, Extravorstellungen für Wissenschaftler. Diese führten anthropologische Untersuchungen durch und befragten die Teilnehmer zu ihrer Sprache und Kultur.

In den späten Völkerschauen der zwanziger und dreißiger Jahre traten auch schwarze Deutsche auf, die dem Publikum ein »afrikanisches Leben« präsentierten, das sie selbst nie erlebt hatten. Für die durch Deutschland tourende »Deutsche Afrika-Schau« tauschten Schwarze, wie etwa der US-Amerikaner Clarence Walton oder der aus Daressalam (heute Tansania) stammende Bayoume Mohammed Husen – er wurde später im Konzentrationslager Buchenwald ermordet –, ihre Anzüge gegen afrikanische Gewänder, trommelten und tanzten vor einer Kulisse mit Strohhütten und Lagerfeuer. Im Jahr 1936 war die Schau ein Organ der nationalsozialistischen Propaganda und der Rassenpolitik. Sie verwandelte sich kurze Zeit später in ein wanderndes Lager, das in Deutschland lebende Schwarze konzentrieren und sie, besonders aber ihre Sexualität, kontrollieren sollte.

Im »geschmacklosen Kontext« des Augsburger Zoos würden schwarze NS-Opfer verhöhnt, kritisiert die ISD. »Die Reproduktion kolonialer Blick-Verhältnisse, in denen schwarze Menschen als exotische Objekte, als Un- oder Untermenschen in trauter Einheit mit der Tierwelt in einer offenbar zeitlosen Dörflichkeit betrachtet werden können und den Mehrheitsdeutschen als Inspiration für künftige touristische Reiseziele dienen, ist wohl kaum als gleichberechtigte kulturelle Begegnung zu verstehen«, heißt es in dem Brief an Zoodirektorin Jantschke.

Mittlerweile seien weitere Protestbriefe auch aus dem Ausland eingegangen, sagt Della von der ISD München. »Der braune Mob« zum Beispiel, ein Hamburger Verein, der sich dafür einsetzt, dass die Darstellung schwarzer Deutscher in den Medien und in der Öffentlichkeit fair und korrekt erfolgt, habe Barbara Jantschke die »Braune Karte« verliehen. »Aber die Veranstalter zeigen überhaupt keine Einsicht«, sagt Della. In einem Antwortschreiben der Zoodirektorin steht: »Sie können sicher sein, dass es sich nicht um einen Planungsfehler handelt, und Sie können sich ebenfalls sicher sein, dass wir keinen anderen Veranstaltungsort suchen werden. Denn ich denke, dass der Augsburger Zoo genau der richtige Ort ist, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln.«

Mit dem Hinweis darauf, dass der Mitorganisator ein »gebürtiger Afrikaner mit schwarzer Hautfarbe« und »bei der ersten Besichtigung begeistert vom Veranstaltungsort, von der Steppenlandschaft unserer Afrika-Anlage und der Atmosphäre im Zoo« gewesen sei, wird versucht, das Projekt zu legitimieren. »Diese Argumentation ist in sich rassistisch. Sie unterstellt, dass die Schwarzen alle einer Meinung sind. Die Schwarze Community hat aber eine große Meinungsvielfalt«, sagt al-Samarai.

Gleichwohl treten Initiativen wie die ISD als Repräsentanten schwarzer Menschen in Deutschland auf. Das sei ähnlich wie beim Zentralrat der Juden oder der Sinti, erklärt Della. »Wir decken nicht die gesamte Community ab, aber wir sind als eine der älteren Organisationen ein wichtiger Bestandteil und repräsentieren einen Großteil der schwarzen Menschen, die sich politisch engagieren.«

»Diese Veranstaltung soll die Toleranz und Völkerverständigung fördern«, betont Zoodirektorin Jantschke. In diesem Sinne schlagen die Autoren des Protestbriefes vor, vor der typisch deutschen Kulisse eines Rotwild- oder Wildschweingeheges die Bewohner eines bayerischen Bergdorfes auszustellen, »die uns mit ihrer Handwerkskunst und ihren kulinarischen Spezialitäten die touristischen Weiten der deutschen Lande authentisch vor Augen führen«.