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Debatte um ein linkes Wahlbündnis von horst pankow

Als Punk verkleidet, mit Lederjacke, bizarrem Ohrschmuck und Blechtrommel vor einer Mauer stehend, zeigte in der vorigen Woche eine Karikatur auf der Titelseite des Neuen Deutschlands Oskar Lafontaine. Neben ihm prangte ein Stellengesuch im Graffitistil: »Suche Anschluss an Protestband!«

Was auf den ersten Blick als Koketterie älterer Langeweiler mit nostalgischen Erinnerungen an eine vermeintlich aufmüpfige Jugendkultur erscheinen mochte, erwies sich nach Lektüre der rings herum platzierten Artikel als Ausdruck einer ernsthaften Verunsicherung. Der dreiste Coup des sauerländischen Triple-M (Müntefering-Möchtegern-Machiavelli), nach dem Debakel in Nordrhein-Westfalen Neuwahlen auszuloben, hatte die Demokratischen Sozialisten offenbar kalt erwischt.

Lafontaines postwendende Ankündigung, dass nun endgültig mit seinem Austritt aus der SPD zu rechnen sei, seine Bereitschaft für eine »neue Linkspartei« ins Parlament einzuziehen jedoch davon abhänge, ob es zu einem Bündnis zwischen der PDS und der Wahlalternative komme, löste bei denen keine Begeisterungsstürme, sondern Panikattacken aus.

Dabei hatte der Saarländer seinem deutschen Vaterland doch nur eine Partei »nach dem Modell des italienischen Olivenbaums« offerieren wollen. Aber eine nationalistische und prokapitalistische Partei wie die italienische PDS existiert hierzulande schon, trägt sogar denselben Namen und ist noch ein wenig nationalistischer und prokapitalistischer als die italienischen Genossen. Als Juniorpartner der SPD hat sie sich in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Verdienste um Sozialabbau und Lohnsenkung erworben und durfte sich berechtigte Hoffnung machen, in dieser Rolle auch künftig gefragt zu sein.

Nun aber fordert Lafontaine ein Zusammengehen mit der »Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit«. Doch die ostdeutschen Sozialisten kaufen der Wahlalternative deren im Vereinsnamen ausgedrückten Willen zum Konformismus nicht ab und beargwöhnen dies sogar als Tarnung für kommunistische Umtriebe. Dem Tagesspiegel zufolge hat die PDS in den Reihen der arbeitswilligen Wahlalternativler »jede Menge Sektierer« ausgemacht. Der Berliner Parteivorsitzende Stefan Liebich weiß, dass im dortigen Ableger der Wahlalternative »frustrierte EX-PDSler und Linksradikale« zu finden seien, die noch offene Rechnungen mit dem rot-roten Senat zu begleichen haben. Und von Gregor Gysi verlautet, dass nur ein »Bündnis bei Wahrung des Rechts« eine realistische Option sein könne, als ob Lafontaine ein klandestiner Subversiver wäre und die Wahlalternative ein Verein zur Abschaffung des Staates.

Aber sie werden sich wohl einigen. Die derzeit in Umfragen prognostizierten acht bis zehn Prozent Wählerstimmen sind allzu verlockend. Nicht nur Quasselkasper Gysi wird sich das nicht entgehen lassen wollen. Und schließlich wird man sich der visionären Qualitäten des großen, nun parteilosen Sozialdemokraten erinnern. Seine Gegner von rechts werden noch einmal sein Zaudern beim Anschluss der DDR heraufbeschwören, wohlweislich verschweigend, dass er dieses Kunststück aus nationaler Sorge vollbrachte. Seine dann vereinigten Anhänger werden sich vielleicht der heute nahezu paradiesisch anmutenden achtziger Jahre entsinnen, als Lafontaine, seinerzeit noch saarländischer Ministerpräsident und Mitglied der SPD-Führung, Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich »andachte« und als erster Sozialdemokrat das damals noch arbeitsfreie Wochenende zur Disposition stellte.

Was anderes als »Deutsche Arbeit über alles« ist als einigendes Bekenntnis des entstehenden »Linksbündnisses« schlechthin nicht vorstellbar.