Zu staatstragend

I hate Kreuzberg, II von stefan wirner

Kreuzberg! Der widerständigste Stadtteil Deutschlands soll das sein, zumindest glauben das viele Irregeführte und Auswärtige auch heute noch. Und das nur, weil ein paar Jahre lang am 1. Mai regelmäßig und erwartbar die Steine flogen, sodass man die Uhr danach stellen konnte.

In Wirklichkeit aber näherte sich dieser Teil Berlins in den vergangenen Jahren dem an, was Herbert Marcuse in seinem Buch »Der eindimensionale Mensch« einst als »Gesellschaft ohne Opposition« beschrieb. Der Stadtteil kann mit abweichenden Meinungen schon lange nicht mehr aufwarten. Kreuzberg ist der rot-grüne Regierungskiez in der Mitte der Berliner Republik. Alleine die Wahlergebnisse der Bundestagswahl im Jahr 2002 geben davon beredte Auskunft.

Schauen wir uns den Wahlkreis Kreuzberg I rund um das Hallesche Tor doch noch einmal genauer an. Hier bekam die Bundesregierung bei der letzten Bundestagswahl eine unfassbare Mehrheit von 71,2 Prozent. Die SPD wählten 33,2 Prozent der Anwohner, die Grünen gar 38 Prozent. Und das zu einer Zeit, als der Bundeskanzler seine Bomber, die angeblich »keinen Krieg« (Schröder) führten, längst aus dem ehemaligen Jugoslawien zurückgeholt hatte und mit Bodentruppen im Protektorat Kosovo stand. Eichels Menschen verachtende Sparpolitik betraf damals schon: uns alle.

Sehr düster sieht es auch im Kiez um die Gneisenaustraße aus. 31,1 Prozent der Wähler wollten tatsächlich eine sozialdemokratische Politik verwirklicht sehen, 41,7 Prozent sorgten für Joschka Fischers Auskommen und gönnten ihm noch eine Amtszeit als nörgelnder, egomanischer und stirnrunzelnder Außenminister.

Am verheerendsten aber stellt sich die Bilanz rund um die Wiener Straße dar. 28,1 Prozent stimmten dort für die SPD, aber unerträgliche, grausame, quälende, folternde 49,3 Prozent für die grünen Schlawiner der Marke Künast, Trittin, Göring-Eckardt und wie die Verwaltungsbeamten in Sachen eigener Karriere alle heißen. Und wer gewann das Direktmandat in Kreuzberg, um dieser brutalen Regierung die Mehrheit noch einmal vier Jahre wasserdicht und felsenfest abzusichern? Der virtuelle grüne Oppositionelle – »Ich bin dagegen und stimm’ dafür« – Hans-Christian Ströbele.

Anzunehmen ist, dass sich eine große Mehrheit der Kreuzberger auch bei der Bundestagswahl im September daran machen wird, dieses Schauerkabinett ein weiteres Mal zu retten, trotz Hartz IV, Praxisgebühr und Dosenpfand. Wie besinnungslos geworden, werden viele da ihr Kreuz machen, wo es besonders weh tut, dort nämlich, wo »SPD« steht oder »Grüne«. Selbst in einer Zeit, da die Regierenden wegen ihrer offenkundig gewordenen Unfähigkeit freiwillig aufgeben, macht Kreuzberg unverdrossen rot-grün weiter.

Wollen Sie tatsächlich in so einem Stadtteil wohnen? Können Sie Nachbarn ertragen, die den einzigen Sinn und Zweck freier Wahlen offenbar darin sehen, eine amtierende, abgrundböse, barbarische Regierung mit Stimmen zu überschütten? Fühlen Sie sich wohl in einer Schlange auf dem Arbeitsamt, wenn Sie wissen, dass neben Ihnen lauter Freunde von »denen da oben« stehen?

Glauben Sie bloß nicht, Kreuzberg würde sich von alleine ändern und irgendwann in ferner Zukunft andere Vorstellungen vom demokratischen Zusammenleben tolerieren. Das rot-grüne Einheitsdenken hat sich hier so festgesetzt wie der Schwamm in den Mietshäusern des sozialen Wohnungsbaus.