Jet Lag statt Jet Set

Das neue Magazin Park Avenue will die deutsche Vanity Fair sein, ist es aber nicht. von jörg sundermeier

Sie empfehlen Slavoj Zizek, den Philosophen für alles und jeden. Der Empfehlungstext lautet: »Warum sind Ethik und Politik unvereinbar? Eine Frage, die schon ganze Generationen zur Verzweiflung gebracht hat. Slavoj Zizek, Professor für Philosophie, geht ihr nach, indem er aktuelle Theorien kritisiert. Dabei wird er wieder Links und Rechts verunsichern, die frommen Theoretiker und Realpolitiker unserer Zeit.« Nicht dass der schnelle Zizek solche Fans nicht verdient hätte, dennoch muss man sich wundern, wie schluderig die Park-Avenue-Redaktion ihre Buchtipps zusammenhaut. Ganz offensichtlich muss sie nichts lesen, um es irgendwie empfehlen zu können.

Park Avenue ist das neueste Produkt, das beweist, dass es in Deutschland keine Stars gibt und keinen Jet Set, dass es hier keine Eleganz hat und schon gar keinen großbürgerlichen Chic. Leider muss man das Produkt ernst nehmen, denn der Verlag, der das blöde Blättchen herausbringt, heißt Gruner+Jahr, und dieser Verlag hat sich vorgenommen, mit Park Avenue nichts weniger als die »deutsche Vanity Fair« zu machen, was lustig ist, da der Verlag Condé Nast, Gerüchten zufolge, gerade fieberhaft daran arbeitet, tatsächlich eine Vanity Fair auf Deutsch herauszubringen. Gruner+Jahr jedenfalls wird das Blättchen ein paar Monate über Wasser halten.

Man hat in den letzten Jahren schon das Gerede von der »deutschen Washington Post« sich blamieren sehen, diese übrigens, Berliner Zeitung heißt sie, versucht Gruner+Jahr gerade loszuwerden. Man hat noch von zig anderen deutschen Irgendwassen gehört, meistens groß angekündigte Projekte, die kaum über die Nullnummer hinausgekommen sind.

Nun also, seit vergangener Woche, Park Avenue, der neueste Versuch, in Deutschland eine Sehnsucht nach einem Luxusleben zu entfachen. Die erste Ausgabe des Hefts, die gerade herausgekommen ist, ist selbstredend nichts als fade, und man wird den Eindruck nicht los, Gruner+Jahr habe versehentlich eine eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Nullnummer belichten und drucken lassen, denn das Heft ist eine einzige Baustelle. Die »Bilder von Pflichtterminen«, die unter dem denkwürdig dummen Kolumnentitel »Spy« gezeigt werden, sind zum Teil im April aufgenommen worden, was – bald soll Park Avenue monatlich erscheinen – zeigt, dass die Park-Avenue-Reporter ganz offensichtlich noch nicht auf allzu viele »Pflichttermine« eingeladen werden. Die Anzeigen, berichtet der Spiegel, wurden an die Kundschaft verschenkt. Vor lauter Glück, dass Dior, Louis Vuitton oder BMW diese Geschenke auch annahmen, setzte man das Inhaltsverzeichnis gleich auf Seite 22 – nach einer langen Werbestrecke. Und ein paar Seiten »Spy-Kolumne«.

Viel zu erzählen hat das Blatt nicht. Es gibt eine Reportage aus Palästina, in der Mahmud Abbas von dem Friedenswillen seines Volkes erzählen darf, der wegen der israelischen Nachbarn und der, so nennt sie das Hochglanzblatt, »unheiligen Mauer« jedoch nicht obsiegen könne. Michael Graeter, das alte Schießgewehr des Klatschkolumnismus, darf einen längeren Text über die armen deutschen Millionäre schreiben, für die das Leben an der Côte d’Azur »immer gefährlicher« werde, da Diebsgesindel unterwegs sei. Willi Winkler, der immer wieder gern nichts zu sagen hat, entdeckt in einem Aufsatz, dass die viel beschworenen »neuen Werte« doch tatsächlich »die alten« seien, und »Dr. Gustav Seibt«, wie das Blatt den SZ-Autoren ernsthaft nennt, beantwortet albern eine »letzte Frage«. In dieser Ausgabe ist es die nach der Macht und ihrem betrübenden Einfluss auf die Seele. Seibt philosophiert: »Viel Macht, viel Ich. Das macht die Welt aber auf Dauer immer langweiliger.«

Einen weiteren Text schrieb Michael Jürgs über Peter Scholl-Latour. Scholl-Latour gibt sich als Widerstandskämpfer gegen die Nazis zu erkennen, der selbstverständlich schon todgeweiht war, doch im letzten Moment vor der Hinrichtung durch die braunen Häscher gerettet und sofort danach, scheint es, zum Indochina-Kämpfer wurde – selbstredend auf Seiten der Franzosen. Der Herrenmensch Scholl-Latour litt damals sehr unter dem Rückzug der Franzosen, da half ihm auch die Nachricht, dass er Vater geworden sei, nicht aus der Krise. Jürgs schreibt: »Am Abend geht der junge Vater mit seinem Freund Adalbert Weinstein, Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ins Chinesenviertel von Hanoi. Die beiden besaufen sich. Dafür gibt es nach diesem Tag zwei Anlässe. Einen schönen Grund, einen traurigen Grund. Sie werfen abgenagte Hühnerknochen von der Terrasse des Restaurants in die von nun an befreite Menge.«

Der Chefredakteur des Blattes ist Alexander Graf von Schönburg, ehemaliger FAZ-Redakteur, dann Bestsellerautor (»Die Kunst des stilvollen Verarmens«) und als Bruder der Fürstin Gloria von Thurn und Taxis oft in Talkshows zu sehen. Schönburg hat sich zwar bisher noch nicht als leitender Redakteur hervorgetan, aber den Mund nimmt er gern voll. »Wir machen ein Magazin über Menschen, die interessant und relevant sind, und nicht über so genannte ›Promis‹, die nur fürs Berühmtsein berühmt sind«, schreibt er im Editorial.

Um den Beweis anzutreten, versuchte er, Angelica Blechschmidt, die über Jahre die Chefredakteurin der deutschen Ausgabe der Vogue war, zu interviewen. Sein Text beginnt mit den Worten: »Neulich saß ich mit Margit J. Mayer, der Chefredakteurin von Architectural Digest, im wie gewohnt leeren China Club mit Blick auf Berlins Holocaust-Mahnmal und aß gedünsteten grünen Spargel.« Später schreibt er folgendes über Blechschmidt, die er zwar treffen, nicht aber interviewen durfte: »Auch hätte es Angelica Blechschmidt nicht als besonders erwähnenswert empfunden, dass sie zur Verzweiflung ihres Herausgebers Bernd Runge darauf bestand, die Redaktionsetage der Vogue mit weißem Teppich auszustatten, auf dem sich ihre Mitarbeiterinnen auf ihren Stilettos mühelos bewegen können. Als sich die Verlagsführung gegen diese Extravaganz sträubte, verkündete sie, den Teppich aus eigener Tasche zu zahlen. Der Verlag gab nach. Verbürgt ist auch, dass die persönlichen Trinkgewohnheiten ihrer Mitarbeiter dem Diktat der Chefredakteurin unterworfen wurden. So verbat sie, aus Sorge um den weißen Teppich, den Redakteurinnen der Vogue, Coca-Cola zu trinken. ›Cola macht Flecken‹, verkündete sie: ›Trinkt Champagner, Mädchen. Champagner macht keine Flecken.‹«

Der Schmock, der in wackligem Deutsch über Luxus schreibt, mit dem er nicht umgehen kann, denn das Luxuriöse ist nicht selbstverständlich für ihn, ist symptomatisch für das Verhältnis der Deutschen zu Stars und Reichtum. Man neidet Ruhm und Reichtum, will jedoch nichts enteignen, sondern versucht stattdessen, die Person, die reich und/oder ein Star ist, lächerlich zu machen, um sie so herabzuziehen zu den anderen deutschen Gartenzwergen. Das aber macht jedes Luxus-Magazin stets so lächerlich, einzig die hiesige Vogue, die sich von vornherein ganz am Pariser Vorbild orientiert hat, ist in diesem Marktsegment lesbar.

Park Avenue aber ist zum Tode verurteilt, weil ihre Redakteurinnen und Redakteure schon jetzt Angst vor dem Luxus haben, weiße Teppiche und Champagner lustig finden, grünen gedünsteten Spargel erwähnenswert, zugleich aber nicht wissen, wer wirklich ein Star ist. Für sie sind es der Darsteller des Albert Speer in »Speer und er«, Sebastian Koch, und Hitlers Sekretärin in »Der Untergang«, die von Alexandra Maria Lara dargestellt wird. Dafür muss man nicht sechs Euro bezahlen.