Das Ende der Geschichten

Auftritt der Generation Nix von richard herzinger

Das Ende des »rot-grünen Projekts« gleicht einem langsamen, kläglichen Siechtum. Bevor es endlich so weit ist, muss sich der Kanzler noch durch eine gefakte Vertrauensfrage quälen. Dann folgt ein bizarrer Wahlkampf, in dem Sozialdemokraten und Grüne so tun müssen, als kämpften sie um eine gemeinsame Mehrheit – obwohl sie sich längst gegenseitig die Scheidungspapiere ausgestellt haben und nur noch eine Devise gilt: »Rette sich, wer kann!«

Dass aber Rot-Grün nicht mit einem Knall, sondern einem Wimmern endet, macht für die designierten Sieger die Aussicht auf ihren Triumph nur halb so schön. Gerne würden manche konservativen und liberalen Helden als tapfere Drachentöter aus einem furiosen ideologischen Showdown mit den linken Verderbern des deutschen Volkes hervorgehen. Die ernüchternde Wirklichkeit aber ist: Die Neuen werden nicht gewählt, weil die Leute sie für Retter der Nation halten würden, sondern weil sie die amtierenden Versager um fast jeden Preis loswerden wollen. Aus nackter Verzweiflung fordern die Sozis jetzt schnell noch eine Sondersteuer für Millionäre. Laut »Politbarometer« finden 70 Prozent der Wähler diese Idee prima. Trotzdem sackt die SPD noch mal um zwei Prozent ab. Münte und die Seinen könnten ihrer Klientel jetzt auch einen Fußmarsch durch das Rote Meer ankündigen, und alle würden schreien: »Nicht mal schwimmen können sie!«

Nix wird’s mit Zeitenwende und Epochenbruch am 18. September. Umso krampfhafter versuchen die Barden einer konservativen Kulturrevolution mit hohlem Pathos ein neues Heilsversprechen herbeizureden. Matthias Mattusek träumt im Spiegel von einem jungen Konservatismus, der »die Gewerkschaften so weit wie möglich zerschlagen« will und »Solidarität« stattdessen in der Familie als einer »Wagenburg« in »eisigen Stürmen« sucht. Denn »es geht auch um einen Kulturkrieg. Um neue Leitbilder. Um neue Grundsätze.«

Ein nicht mehr ganz so junger, dafür umso realerer Konservativer verspricht »eine Neuorientierung der jüngeren Generation: Ehrlichkeit, Anstand, Treue, Verlässlichkeit, Fleiß. Die 68er in der Regierung treten ab. Viele von ihnen standen für Beliebigkeit und Egoismus.« Das sagt ausgerechnet Edmund Stoiber, den natürlich niemand jemals mit Beliebigkeit und Egoismus in Verbindung bringen würde.

Doch die hektische Suche nach einem »schwarz-gelben Generationenprojekt« will einfach nicht vorankommen. Schon leicht resigniert meint der Generationenexperte Paul Nolte in der Welt am Sonntag, auf die Alterskohorte der 40jährigen kämen, »unabhängig von ihren Parteipräferenzen, schwere Aufgaben der Selbstverständigung noch zu. Sie mag sich damit trösten, dass jetzt erst die 50jährigen in das Zentrum der Macht rücken.«

Zumindest sind wir damit für die nächsten zehn Jahre mit inhaltsfreiem Gefasel über neue »Generationenprofile« versorgt. Einstweilen steht uns aber eine weitere ideologische Abmagerungskur bevor. Die neue Regierung wird mehr als jede vor ihr an ganz konkreten pragmatischen Erfolgen gemessen werden. Die wenig pathetisch und kulturkämpferisch veranlagte Angela Merkel stimmt ihren Wahlkampf klugerweise schon mal auf das Minimalversprechen »Verlässlichkeit« ein. Nach dem Desaster des einst vollmundig angekündigten »rot-grünen Modernisierungsprojekts« besteht vorerst kein weiterer Bedarf an virtuellen historischen Aufbruchsdeklarationen. Weder von links noch von rechts.

Richard Herzinger ist Deutschlandkorrespondent der Weltwoche.