Zu Gast im Blaulichtmilieu

Das Paradies für Feuerwehrleute und Polizisten – und solche, die es gerne wären. Ein Rundgang über die diesjährige Messe »InterSchutz/InterPolice« in Hannover. von guido sprügel

Drehleitern ragen bis 100 Meter weit in den Himmel hinein, dazwischen tummeln sich Gruppen von freiwilligen und weniger freiwilligen Feuerwehrmännern aus der ganzen Republik in schmucken Uniformen oder im kollektiven Freizeitdress. Auf kunstvoll bestickten Poloshirts steht: »Feuerwehr Niedereisenhausen«. Feuerwehrfahrzeuge bestimmen, so weit das Auge reicht, die Messe »InterSchutz/InterPolice«, die in diesem Monat auf dem Messegelände in Hannover zu Gast war. Ein Paradies für Freunde von Blaulicht, Uniform und Helmpflicht.

Stephan Kühne vom Vorstand der Deutschen Messe AG ist auf der abschließenden Pressekonferenz denn auch schlichtweg begeistert: »Rund 140 000 Besucher kamen zur Messe. Ein neuer Besucherrekord.« Stolz verweist er darauf, dass Bundesinnenminister Otto Schily die so genannte Tandem-Messe in den höchsten Tönen gelobt habe. Sie sei eine »Plattform für den internationalen Dialog«, wichtig in Zeiten des internationalen Terrors. Hans Jochen Blätte, Präsident der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes, sieht in der Messe sogar den von Roman Herzog geforderten »Ruck«, der durch Deutschland gehen müsse. Herz und Kommerz kämen zusammen, und das sei gut so. Und der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Hans-Peter Kröger, verlangt, dass »deutsche Feuerwehren deutsche Feuerwehrtechnik nutzen«.

Zufrieden trennt man sich nach einer halben Stunde Pressekonferenz. Die wichtigen Fragen zur inneren Sicherheit, die Treffen der Polizeipräsidenten, die Diskussionen rund um den Digitalfunk waren bereits in diversen anderen Veranstaltungen erörtert worden.

Denn Thema der Messe ist nicht nur der Brandschutz, sondern auch die innere Sicherheit, und die wird schließlich nicht nur von Feuer bedroht. So gibt es auf etwa einem Viertel der Ausstellungsfläche zum ersten Mal neben der »InterSchutz« auch die kleine Teilmesse »InterPolice« zu sehen, die sich der Polizei, der Gefahr für Leib und Leben sowie dem Schutz vor Demonstranten widmet. Ich begebe mich also auf einen Messerundgang und stürze mich ins Getümmel von Zoll, Security und polizeilichen Sonderkommandos.

Vor Halle 27 stockt der Rundgang zum ersten Mal. Die Polizei aus Niedersachsen hat hier ihre Fahrzeuge postiert und bietet einen Blick in das Innere eines Räumpanzers an. Marc Günther gibt bereitwillig Auskunft. Eigentlich fährt der junge Polizist den Wasserwerfer, kann aber auch mit dem Räumpanzer umgehen. »Demonstranten räumen ja so einiges auf die Straße, und wir räumen das weg«, erläutert er den Arbeitsauftrag des Panzers. Zehn Tonnen wiegt so ein Ungetüm und ist dabei extrem geländegängig. »Und schon 20 Jahre alt, aber das merkt man dem gar nicht an, so robust ist er«, schwärmt der Beamte.

Direkt gegenüber steht der Wasserwerfer. Die beiden Fahrzeuge bilden fast immer einen Konvoi, erklärt Günther. Wilfried Brede von der Landesbereitschaftspolizei ist der Kommandant des grünen Ungetüms. »Der Störer ist vorn, und wenn wir rückwärts fahren, ertönt ein Signal zur Warnung der Kollegen«, beschreibt er den Zweck eines kleinen Fernsehers am Armaturenbrett. Seit fast drei Jahren ist Brede nun schon Kommandant des »Wawe«, so die polizeiinterne Abkürzung, und er mag seinen Job. Fünf Leute bedienen das Gefährt: zwei »Werfer«, die den Wasserstrahl lenken, ein Fahrer, ein Beobachter und der Kommandant.

Am 1. Mai war Brede in Berlin dabei und stand mit seinem »Wawe« am Springerhochhaus. Schwierig zu bedienen findet er das Gerät nicht. Es habe ja in all den Jahren auch nur einen Todesfall gegeben – damals vor 20 Jahren in Frankfurt/Main – mit dem Demonstranten Günter Sare. Aber der »war selber schuld«, weiß Brede. Schließlich hält man sich ja als Störer auch nicht neben oder hinter dem Fahrzeug auf, sondern bitteschön davor. Auf die Frage, ob denn noch ordentlich Reizstoffe ins Wasser gemischt werden, lacht Herr Brede: »Nein, seit 14 Jahren nicht mehr. Und wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen: Wir brauchen in Deutschland auch keine Reizstoffe!«

Um 14 Uhr gibt es draußen noch eine kleine »Wawe«-Show, die ich sehen will, aber vorher muss ich schnell noch mal in Halle 27. Dort geht es gerade beim Zoll mächtig rund. Drei Beamte präsentieren ihre Nahkampftechniken, so wie sie gegen Zigarettenschmuggler, Demonstranten und bei Blockaden eingesetzt werden. Dankenswerterweise setzt einer der Kollegen erst mal eine Langhaarperücke auf – wie soll man denn sonst Gut und Böse auseinander halten? Dann geht es los: hauen, stechen, Handschellen – alles dabei.

Aber Vorsicht! »Was aussieht wie halbschwules Gefummel, ist in unserem Job harte Realität!« erklärt der junge Zollbeamte über die Lautsprecher, um keine Verwechslung mit einer Erotikmesse zuzulassen. Zur Vorführung des so genannten EKG – des Eier-Kontrollgriffes – ertönt Musik von Rammstein. Im Interview nach der Show sind die Beamten leider gar nicht auskunftsfreudig. Auf ihre Tätigkeiten oder die anstehenden Gefahren angesprochen, antworten sie ausweichend. Schnell schaltet sich der Vorgesetzte ein und beendet das Gespräch.

Jetzt zeigt das Fahrzeug mit Nachtsichtaufsatz, was es kann. An der Grenze zu den Niederlanden und an der deutschen Nordseeküste spürt es illegale Grenzübertritte auf. Nur ungern wird zugelassen, dass sein Inneres fotografiert wird. Na gut, dann eben rüber zum Digitalfunk, der ist ja seit langem in der Diskussion.

Seit 2004 gibt es die Vereinbarung für eine bundeseinheitliche Technik. Schily zufolge baut der Bund das »Bundesrumpfnetz« aus, an das sich die Länder dann anschließen können. Im Jahre 2006 soll nach einer Ausschreibung der Zuschlag an die Industrie zum Aufbau des Netzes erteilt werden. »Und am 31. Dezember 2010 geht der Digitalfunk spätestens in Betrieb«, sagt Ute Sümening von der Projektgruppe Digitalfunk in Niedersachsen. Für sie ist der Digitalfunk mehr als überfällig. Mit ihm ließen sich alle Einsatzkräfte vernetzen, und der Funk sei flexibel einsetzbar, abhörsicher und biete bei Großeinsätzen »deutliche Vorteile«. Bedauerlich findet sie allerdings, dass es das europaweite Netz nicht geben wird. Schon jetzt funkt die EU digital unterschiedlich, nur Deutschland und Albanien funken noch analog. Wir sind das Schlusslicht! Auf meine Frage, ob wir bei der WM 2006 Angst haben müssen, lächelt Frau Sümening freundlich. Nein, auf keinen Fall! Das wird alles gut!

Mittlerweile ist es 14 Uhr, und Herr Brede zeigt auf dem Freigelände sein Können. Drei Kollegen spielen steinewerfende Chaoten, und Herr Brede räumt sie unter dem Applaus der Zuschauer kurz mal mit dem »Wawe« weg. Schade ist nur, dass die Chaoten stabiles gelbes Regenzeug tragen und Polizeihelme auf dem Kopf haben. So kommt kein richtiges Streetfightfeeling auf.

Zurück in Halle 27. Der Blick fällt auf die zahlreichen Anbieter von Helmen. Die Konkurrenz scheint enorm zu sein. Die deutsch-amerikanische Firma MSA Auer hat die schönsten Helme im Angebot. Michael Freitag, der bei der Firma für Europa zuständig ist, gibt bereitwillig Auskunft. Stolz ist er auf die von Auer entwickelte »Helm-Atemschutzkombination«, bei der der Beamte den Atemschutz einfach in den Helm einklinkt. Ja, es gebe viel Konkurrenz, jede Beschaffung müsse in ganz Europa ausgeschrieben werden, und so komme es dazu, dass zum Beispiel in Deutschland jede SEK-Einheit andere Helme trage. Der große wirtschaftliche Vorteil von MSA Auer liege darin, dass »wir Helm und Maske selbst herstellen«. So fallen lange Zulieferzeiten weg. Eine weitere wichtige Neuerung ist der breite Kinnschutz für die Helme des Bundesgrenzschutzes. Hier gab es immer eine Schwachstelle, weil Störer leicht vorn unter den Helm aufs Kinn schlagen konnten. Diese Zeiten sind nun bald vorbei.

Die neuesten Modelle der Firma erinnern an die Stahlhelme der deutschen Wehrmacht. In Deutschland hat man dieses Design lange nicht gesehen. Ob es aus Rücksicht auf die Vergangenheit erfolgte, dass ein solches Design vermieden wurde, möchte ich wissen. »Da hab ich leider keine Ahnung. Dazu bin ich geschichtlich zu wenig bewandert«, sagt Freitag. Die Helme werden nach dem Kriterium des bestmöglichen Schutzes entwickelt. Wirtschaftlich geht es der Firma gut. Vor allem die Tatsache, dass MSA Auer die US-Armee mit den neuen »Mich«-Helmen ausrüstete, trug zur Konsolidierung bei.

Direkt neben dem Helmstand fällt eine große Kanone auf, die martialisch in den Gang hineinragt. Der Hersteller, HNE aus Augsburg, ist stolz auf die Neuentwicklung. Selbstverständlich ist es keine Kanone, sondern eine Druckluftramme. Mit ihr lassen sich verschlossene Türen von der Feuerwehr oder dem SEK problemlos öffnen. Einfach mit einer Spezialkugel laden, schießen, und die Tür fällt aus den Angeln. Und das ganze ist auch noch völlig ungefährlich, denn die Kugel zerbricht beim Aufprall und fliegt nicht umher. So kann man die Druckluftramme wie eine Panzerfaust verwenden und muss nicht mehr mit einer manuellen Ramme stundenlang an der Tür herumberserkern.

Ideal ist die Multifunktionalität: So lässt sich die Ramme nicht nur zum Öffnen von Türen, sondern auch zum Beschuss von Demonstranten einsetzen. In diesem Fall werden andere Patronen verwendet, und man kann auffällig gewordene Störer mit Farbe markieren. Ob das weh tut, möchte ich wissen. »Zu Beginn tut es ein bisschen weh, aber das geht schnell vorbei«, beschwichtigt Rüdiger Neble von HNE. Die Entwicklung ist ganz neu, und noch hat niemand die Ramme angeschafft. Aber das Interesse sei sehr groß, sagt er. Die Ramme soll 12 000 Euro kosten. Aber immerhin wird sie mit Druckluft und einem Set Kugeln geliefert. Da kann man nicht meckern.

Gegen 17 Uhr beginnen die Kopfschmerzen, und ich habe so langsam genug von schusssicheren Westen, Stiefeln, Blaulicht und Schlagstöcken. Auch »moderne Schlauchpflegesysteme« und »Tunnellöschsysteme« können mich nicht mehr locken. Der Weg zum Messebahnhof Laatzen ist gesäumt von Feuerwehrleuten, viele mittlerweile leicht alkoholisiert, aber zufrieden. Sie tragen Tüten mit Feuerwehrpostern und neuen Schuhen, zuweilen auch mit militärischen Ausrüstungen – vermutlich zum Hausgebrauch.