Dunkel war’s, es schien die Sonne

Rumänische Geheimdienste sollen bei der Befreiung der französischen Journalistin Florence Aubenas aus irakischer Geiselhaft mitgewirkt haben. von bernhard schmid, paris

Das Spektakel ist vorbei, die Lichter sind erloschen, die Musik ist verstummt. Nach einer monatelangen Öffentlichkeitskampagne für die Freilassung der Geiseln im Irak sind deren riesengroße Porträts jetzt wieder von den Pariser Plätzen und Straßen verschwunden.

Zuerst ging es um die Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot, dann um die Libération-Reporterin Florence Aubenas und ihren irakischen Begleiter und Übersetzer Hussein Hanun al-Saadi. In Theatern und Fußballstadien wurden Slogans für ihre Freilassung proklamiert oder plakatiert, die Preisträger des Festivals von Cannes widmeten ihre Auszeichnungen »Florence und Hussein«. Zum 150. Tag ihrer Gefangenschaft fand eine Parade mit 150 Schiffen im Marseiller Hafen statt. Zum 170. Tag sollte ein Banner auf dem Gipfel des Mont Blanc aufgepflanzt werden. Auch der neue Airbus sollte beider Namen tragen. Dazu kam es aber nicht, da die beiden Geiseln am zweiten Juniwochenende frei kamen.

Jetzt wächst allmählich der Zweifel daran, ob die zahllosen Spektakel, die meist mehr ans Gefühl als an den Verstand appellierten, für die Geiseln wirklich von Nutzen waren. Zwar hat Aubenas davon berichtet, dass ihre Wächter sie einmal französisches Auslandsfernsehen sehen ließen und sie ihren Namen auf einem Schriftband unten auf dem Bildschirm erkannte, was ihr Mut gegeben habe. Kurz nach der Freilassung von Aubenas und Hanun hatte der französische Botschafter in Bagdad, Bernard Bajolet, aber erklärt, derartige Aktionen ließen den Preis für die Geiseln in die Höhe schnellen. Nach Informationen von Robert Ménard, dem Generalsekretär der französischen Sektion von »Reporter ohne Grenzen«, sollen die Geiselnehmer 15 Millionen Dollar gefordert haben. Auf Druck der Regierung erklärte Ménard aber später, er habe sich »falsch ausgedrückt«.

Doch es gibt noch weitere offene Fragen. Widersprüche tauchten auf, als sich die rumänische Journalistin Marie-Jeanne Ion und ihr Kollege Sorin Miscoci unmittelbar nach der Rückkehr von Aubenas zu Wort meldeten. Gemeinsam mit einer dritten rumänischen Geisel waren die beiden von Ende März bis 22. Mai im Irak festgehalten worden. Nun äußerten sie sich glücklich über die Freilassung ihrer französischen Kollegin, die nach ihren Angaben seit dem 1. April ihre Mitgefangene in demselben Kellerverlies gewesen war.

Die Französin hatte aber unmittelbar nach ihrer Rückkehr erklärt, sie sei mit verbundenen Augen und bei Dunkelheit festgehalten worden. Erst nach längerer Gefangenschaft habe sie feststellen können, dass ihr Begleiter Hanun im gleichen Raum nur 90 Zentimeter entfernt gefangen gehalten wurde. Ihr sei verboten worden, mit ihm zu sprechen. Bei der rumänischen Journalistin Ion, die Le Monde ein längeres Interview gab, hörte sich die Geschichte allerdings etwas anders an. Sie bestätigte die Dunkelheit und die Augenbinden, man habe diese aber mit der Zeit lockern können. Später habe man entdeckt, dass die Behauptung der Wächter, in dem Kellerloch seien Videokameras installiert, nicht zutreffen könne. Daraufhin habe man recht offen miteinander kommuniziert.

Ion und Robert Ménard von »Reporter ohne Grenzen« erklären die Widersprüche in den Aussagen damit, dass die französischen Geheimdienste Aubenas beim »Briefing« aufgefordert hätten, sie solle sich über Details ihrer Gefangenschaft ausschweigen. Der Grund dafür könnte sein, dass nach wie vor 45 Ausländer im Irak als Geiseln festgehalten werden. Aber auch die enge Zusammenarbeit der rumänischen und französischen Nachrichtendienste könnte eine Rolle spielen. »Wird Frankreich die Rolle der rumänischen Dienste bei der Befreiung von Florence anerkennen?« titelte die Bukarester Tageszeitung Gardianul bereits kurz nach der Freilassung. Die rumänische Zeitung Cotidianul sprach präzisierend von »ehemaligen Ceausescu-Netzwerken«.

Während der Amtszeit des stalinistischen Diktators Nicolae Ceausescu, der auf eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber den anderen realsozialistischen Ländern des Ostblocks bedacht war, studierten über 500 000 Studenten aus arabischen Ländern an den Universitäten Rumäniens. Viele von ihnen wurden für den Geheimdienst des rumänischen Regimes, die Securitate, rekrutiert. Andere arbeiteten für die Dienste nahöstlicher Regimes, zu denen Rumänien Verbindungen aufbauen wollte, um seine Bedeutung als eigenständige Regionalmacht zu erhöhen.

Diese Verbindungen scheinen in den vergangenen Monaten reaktiviert worden zu sein, zumal das Netzwerk ehemaliger Securitate-Mitarbeiter auch heute noch teilweise mit dem rumänischen Staatsapparat verbunden ist. Mitte Juni wurde in Bukarest ein Geschäftsmann syrischer Abstammung verhaftet, der die Geiselnahme von Aubenas »bestellt« haben soll.

Dies würde die These der Libération-Redaktion stützen, wonach die Geiselnehmer vorwiegend Kriminelle gewesen seien. Ob dies zutrifft, ist bislang nicht nachweisbar, Tatsache ist, dass der französische Premierminister Dominique de Villepin Mitte Juni doch noch den Rumänen einen besonderen Dank aussprach. Er begrüße »das Engagement der internationalen Gemeinschaft und ganz besonders das Rumäniens« bei der Freilassung der Geiseln, sagte er vor dem Pariser Parlament.

In mehreren Weblogs, die politisch den US-amerikanischen Neokonservativen nahe stehen, etwa dem Transatlantic Intelligencer, wird die These vertreten, die Widersprüche verrieten, dass die Entführung fingiert worden sei. Damit solle die Zusammenarbeit Frankreichs mit dem irakischen »Widerstand« vertuscht werden. Hanun spiele dabei als aktiv Beteiligter eine Schlüsselrolle. Allerdings haben Florence Aubenas und Hussein Hanun, der Mitte Juni nach Paris kam, in der mehrmonatigen Gefangenschaft zwölf beziehungsweise 15 Kilo verloren. Sie dürften sich also nicht in einer Erholungskur befunden haben. Zudem wurden die Widersprüche zu den Aussagen der rumänischen Ex-Geiseln sofort von angesehenen französischen Zeitungen verbreitet.

Nicht mit Ruhm bekleckert haben sich auch die politischen Desperados um den rechten Abgeordneten Didier Julia, die einmal mehr eine Parallelaußenpolitik verfolgten. Erneut versuchten sie, durch eine erfolgreiche »Vermittlung« auf eigene Faust aufzutrumpfen. (Jungle World, 10/05) Sie wurden dafür von den französischen Behörden und Nachrichtendiensten beschuldigt, nur »den Preis in die Höhe getrieben« und die Freilassung der Geiseln verzögert zu haben.