In Geiselhaft

Die USA und der iranische Präsident von william hiscott

Kaum war der fundamentalistische Hardliner und bisherige Bürgermeister von Teheran, Mahmoud Ahmadinejad, zum neuen Präsidenten des Iran gewählt, erschütterte eine Meldung die US-amerikanische Öffentlichkeit: 1979 soll er sich an der Geiselnahme mehrerer Dutzend Mitarbeiter der US-amerikanischen Botschaft in Teheran beteiligt und dabei eine große Rolle gespielt haben, meldeten die Medien unter Berufung auf ehemalige Geiseln. Zudem kursierte das Foto eines Geiselnehmers, der ungefähr so aussieht, wie Ahmadinejad vor 25 Jahren ausgesehen haben mag.

Die US-amerikanische Regierung antwortete prompt. »Nicht überraschend« fand Scott McClellan, der Pressesprecher des Weißen Hauses, die Vorwürfe und versprach, dass man sie aufklären werde. Auch George W. Bush verlangte »Antworten«, wobei er den Eindruck erweckte, die Vorwürfe seien längst erwiesen. Doch schon tags darauf wurden sie eher entkräftet denn bestätigt. Nicht nur Ahmadinejad und zahlreiche damalige Geiselnehmer widersprachen, darunter einige, die sich inzwischen der Opposition im Iran angeschlossen haben oder im Exil leben. Auch vom US-amerikanischen Geheimdienst wurde der vermeintliche Fotobeweis widerlegt.

Dennoch dürfte die Erinnerung an die traumatische Geiselnahme, die 444 Tage dauerte und entscheidend zum Sieg Ronald Reagans über den damals amtierenden Präsidenten Jimmy Carter beitrug, nicht folgenlos bleiben. Schon bevor die Meldung über den »terroristischen Präsidenten« durch die Presse ging, hatte sich die Regierung in Washington auf einen harten Kurs gegenüber dem iranischen Regime verständigt. Und zumindest auf die Unterstützung der Hardliner in den Medien wird sie sich verlassen können, zumal die tschechische Tageszeitung Pravo einen weiteren Vorwurf gegen Ahmadinejad lieferte. Als ranghoher Kommandant der islamischen Revolutionsgarden soll er sich im Jahr 1989 an der Ermordung Abdul Rahman Ghassemlous und dreier weiterer kurdischer Exilpolitiker in Wien beteiligt haben. Unabhängig davon, ob diese Anschuldigungen zutreffen oder nicht, medienpolitisch jedenfalls wurden sie perfekt präsentiert.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Regierung Bush einen bösen Verdacht über Saddam Hussein nach dem anderen verbreiten ließ, bis ein relevanter Teil der Bevölkerung einem Krieg zustimmte. Nimmt man nur die derzeitigen talking points des Weißen Hauses zum Maßstab, drängt sich die Vermutung auf, dass ein ähnlicher Plan verfolgt wird. Auch der einflussreiche ehemalige Außenminister Henry Kissinger deutet an, dass in den kommenden Monaten eine militärische Aktion oder zumindest ökonomische Sanktionen nötig seien, um das iranische Atomprogramm gerade noch rechtzeitig zu stoppen.

Diese Strategie könnte aber ebenso gut eine diplomatische Offensive wie eine Kriegsvorbereitung bedeuten. Momentan strapaziert der anhaltende Krieg im Irak das Militär und die Regierung. In der Bevölkerung mehren sich die Anzeichen für eine allgemeine Kriegsmüdigkeit, und innenpolitische Themen wie die anstehenden Neubesetzungen im Obersten Gerichthof oder die Auseinandersetzungen über die sozialen Sicherungssysteme gewinnen an Bedeutung. Deshalb ist die Kommunikationsstrategie der US-amerlikanischen Regierung so nützlich: Sie produziert so viel heiße Luft, dass niemand sagen kann, was sie wirklich vorhat.