Verliebt, verlobt und jetzt schon tot

»Sarah und Mark in love« ist so, wie man es sich vorstellt, und vielleicht noch schlimmer. von elke wittich

Wie so ein durchschnittlicher Popstar, so er in den USA zu Hause ist, wohnt, ist aus zahlreichen Homestories und Doku-Soaps bekannt. Wobei sich die meisten Celebrity-Villen und das dazugehörige Interieur derart frappant ähneln, dass der Verdacht nahe liegt, die notorisch fußballfeldgroßen Ankleidezimmer mit der ordentlich farblich zusammengeschichteten Kleidung, die Swimming Pools mit Ausblick auf das Meer oder die im Tal liegende versmogte Großstadt, sowie die Marmorkamine, würden routinemäßig als Dreingaben zu den Platin-Schallplatten vergeben.

Wie aber lebt so ein Popstar in Delmenhorst? Diese eigentlich niemanden, so sollte man annehmen, interessierende Frage wird nun dennoch jeden Dienstag kurz nach 22 Uhr auf Pro7 beantwortet. »Sarah und Mark in love« heißt die Mini-Serie, die davon handelt, wie sich die Frau, die die deutsche Nationalhymne um das hübsche Wort »brüh« bereichert hat, auf ihre Hochzeit mit ihrem Freund Mark vorbereitet. Mark ist jemand, der vom Sender euphemistisch als »sexy Rockimport aus Amerika« bezeichnet wird.

In der Delmenhorster Villa des Paares, die, wie es sich für VIPs gehört, knallweiß getüncht wurde, verläuft das Leben kurz nach dem Einzug dann auch zunächst so chaotisch, wie man es nicht nur von eigenen Wohnungswechseln kennt, sondern inzwischen auch schon in anderen Star-Doku-Soaps gesehen hat. Wer jedoch auf Szenen a la »The Osbournes«, also in etwa Exzesse und Eklats, Glamour und massives Geldrauswerfen in den Luxusshops Norddeutschlands, gehofft hatte, sah sich schon nach wenigen Minuten der ersten Folge arg enttäuscht.

Denn zunächst knuddelte Mama Sarah elendiglich lang mit ihrem Sohn Tyler. Verzückte Eltern haben aber leider grundsätzlich etwas gleichermaßen Debiles wie Nichtabendfüllendes, aber umgeschaltet werden darf deswegen leider nocht nicht. Denn die Sängerin hatte für die Doku-Reihe wirklich Großes angekündigt: »Die Kamera begleitet uns wie ein Dritter, der immer mitkommt, der mit am Tisch sitzt, wenn wir essen oder auf der Couch sitzen. Es wird einfach unser Privatleben gezeigt, da ist nichts gestellt.«

Klingt ganz, ganz toll, endlich ist sie also da, die Chance zu erfahren, welche Kaviarsorte es bei Celebs zum Frühstück gibt, ob der sicher aus 24-karätigem Gold gefertigte Marmeladenlöffel mit Brillanten geschmückt ist und wie das so aussieht – ein Prominentenpaar, das auf dem Sofa sitzt. Immerhin, die Frühstücksfrage wird umgehend beantwortet. Brötchen gibt es, frisch aus einer Delmenhorster Bäckerei, höchstpersönlich von Mark beschafft. Das sei ja wirklich super, kann sich Sarah angesichts der glitschigen Teigklumpen für ungefähr einen Euro 60 vor Glück kaum mehr einkriegen, ganz alleine habe ihr Mann sich ohne sie aus dem Haus getraut und eingekauft, nun sei sie wirklich sehr stolz auf den Brötchenbringer. Was daran – in einer Bäckerei auf die ausliegende Ware zu zeigen – eine intellektuelle, bejubelnswerte Leistung sein mag, erklärt Connor nicht. Auch nicht, was mutig daran sein könnte, mit einem sicherlich ortskundigen Fernsehteam im Schlepptau das Haus zu verlassen. Das Team würde natürlich niemals zulassen, dass sich einer der Hauptdarsteller rettungslos in Delmenhorst verirrt und erst ein halbes Jahr später verdurstet und verhungert aufgefunden wird.

Vielleicht dämmert Sarah aber dann doch, dass jemand, der unfallfrei Nahrungsmittel beschaffen kann, nicht notwendigerweise weitere Qualitäten aufweist, die ihn zu so etwas wie einem Ritter in schimmernder Rüstung machen. Denn Mark schmutzt. Ständig. Überall. Und räumt nicht auf. Der Grund für einen kleinen Hauskrach ist: Der Mann hatte vom Brötchenkauf Sand an den Schuhen mit nach Hause gebracht, den er umgehend auf der wollweißen Auslegeware verteilte. In einem auch nur halbwegs organisierten Promi-Haushalt kein Problem, sollte man meinen, denn schließlich verfügt man über Unmengen von qualifiziertem und gut geschultem Personal, das nichts lieber tut, als den ganzen Tag hinter der Popstar-Herrschaft herzuräumen. Weswegen es auch ziemlich blöde ist, eigentlich, dass die eigenen Tagträume vom Reichsein immer an der Stelle enden, an der sich irgendein Lifestyle-Magazin zum Hausbesuch ankündigt. Allein die Vorstellung, dass man dann irgendwann mindestens 48 Stunden damit beschäftigt sein würde, die Wohnung derart aufzuräumen, dass sie vor den Augen einer blöden Society-Reporter-Schnalle Gnade finden würde, führt erfahrungsgemäß zur sofortigen Aufgabe aller High-Society-Träume.

Wie dumm, dass man bisher immer vergessen hatte, dass Putzfrauen ja eigentlich ganz unbedingt zum Jet-Set-Lifestyle dazugehören. Aber ha! Nicht bei Connors. Absolut und restlos genervt fegt die neonblondierte Sängerin auf Marks Spuren durch das Eigenheim. Gefolgt vom Übeltäter, der es leider nur schafft, ein halb schuldbewusstes Gesicht zu machen. Dafür setzt es den minutenlangen Sauberkeitsdisput: »Wenn ich abends nach Hause komme, kann ich deine Spuren durchs ganze Haus verfolgen, vom hochgeklappten Klodeckel über die nicht zugeschraubte Zahnpastatube bis hin zu deinen überall häufchenweise verstreuten Klamotten.«

Anstatt zu antworten: »Dann kauf uns halt eine Putze, Liebling«, macht Mark nun einen strategischen Fehler. Und behauptet, sooooo unordentlich doch nun auch wieder nicht zu sein, und überhaupt, Sarah solle sich doch nicht so anstellen. Die kontert eiskalt: »Warum hast du den Frühstückstisch nicht abgeräumt?«

Nun ja, er habe halt zu tun gehabt, antwortet der Drecksack, und so geht das minutenlang hin und her, bis sich beide wieder ganz furchtbar lieb haben. Was man daran merkt, dass sie in Pärchen-Hausschuhen durch die Räume schlappen, die anzuschaffen nur Leute schaffen, die vor Liebe blind, blöd und geschmacksverwirrt geworden sind. Die Dinger – sie trägt selbstverständlich die rote Version, während er in Blau herumstolziert – sind so groß, dass sie durchaus für kälteempfindliche Eisbären geeignet wären, wenn die Viecher nicht über genügend Selbstachtung verfügen würden, sich lieber vom nächsten Eskimo erschießen zu lassen, als in den wolligen Teilen mit den Plastikkrallen dran gesehen zu werden.

Trotzdem geben die Puschen Hoffnung für die nächsten Folgen. Denn angesichts der nur mühsam unterdrückten Wut auf die Unzulänglichkeiten des anderen ist ja schließlich nicht gesagt, dass die Hochzeitsvorbereitungen, von denen »Sarah und Mark in love« in den weiteren Folgen handeln wird, auch wirklich zu einer glücklichen, erfüllten, harmonischen Ehe voller gegenseitigem Respekt und lebenslanger Zuneigung führen werden. Vielleicht hat Mark das Hausfrauengekeife seiner Putzfrau Sarah ja doch schon sehr bald satt und erstickt die Zicke mit einem der schauderhaften Pantoffeln. Wobei er hoffentlich eines der beiden blauen Exemplare verwendet, was sich bestimmt sehr hübsch zur dann aktuellen Gesichtsfarbe der frisch erwürgten Verblichenen machen würde. Oder die Sängerin greift angesichts des nächsten unabgedeckten Frühstückstischs oder der nächsten Sandspur auf dem frisch gesaugten Teppichboden kurzentschlossen zu ihren Hausschuhen und jagt dem nichtsnutzigen Fumperich eine der massiven Plastikkrallen mit einem entschlossenen Stoß durchs Auge direkt ins Gehirn.