Ihr ewiger Kampf

Nach ihrem Teilerfolg vor dem Bundesverfassungsgericht gibt sich die Junge Freiheit als Hüterin der Pressefreiheit und wirbt um neue Leser. von markus ströhlein

Glaubt man dem Text der Annonce, ist für die Presse in Deutschland eine neue Epoche angebrochen. Von einem »historischen Sieg für die Pressefreiheit« ist die Rede, von einem »Durchbruch für kritischen Journalismus«, von einer »Sensation«. Die Junge Freiheit schaltete in den vergangenen Wochen halbseitige Anzeigen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und im Spiegel, in denen sie ihren Teilerfolg vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) ausgiebig feierte.

Ende Juni gab das Gericht einer Beschwerde der extrem rechten Zeitung gegen ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht in Nordrhein-Westfalen statt (Jungle World 27/05). Sie nutzt die öffentliche Aufmerksamkeit seither nicht nur, um sich in ihren Annoncen zur unbeugsamen Verfechterin der Meinungsfreiheit zu stilisieren. Die Imagekampagne ist auch eine Abokampagne. Vier Wochen kann man die Zeitung kostenlos lesen, ohne eine Frist für die Abbestellung oder andere Verpflichtungen.

Mit der rechten Wochenzeitung freuen sich auch andere. Die taz findet, das »Urteil ist eindeutig und richtig«. Die Frankfurter Rundschau redet gar von einem »nicht unbedeutenden Tag für die Republik«, der Focus von einem »wichtigen Urteil für die Meinungsfreiheit«. Die Junge Freiheit weiß die Kollegialität zu schätzen und druckt alle Zitate als vermeintlichen Beweis für die Wichtigkeit ihres Rechtsstreits in ihren Anzeigen ab.

Dabei ist das Urteil weder in der Sache noch grundsätzlich eine Sternstunde für das Presserecht. Das BVG hat die Angelegenheit lediglich an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Dieses soll erneut überprüfen, ob die »tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen« genügen. Vielleicht feiert man also zu früh in der Redaktion des Blatts.

Auch nimmt das Urteil dem Verfassungsschutz nicht generell die Möglichkeit, Publikationen mit der Aufnahme in seinen Bericht unter Druck zu setzen. Für andere Zeitungen hat der Richterspruch keine Wirkung. Er ist nur der Teilerfolg einer rechten Postille.

Dem Image und der Abonnentenwerbung der Jungen Freiheit dient das Urteil dennoch. Auch die Redakteure können sich freuen. Anstatt lange nach Themen suchen zu müssen, können sie die Zeitung einfach mit der Hausberichterstattung füllen. Die Entscheidung machte die Schreiber so sprachlos, dass sie außer dem Angriff auf »eine die demokratische freiheitliche Gesellschaft in unverschämter und unerträglicher Weise domestizierende Political Correctness« kein Thema fanden und seitenlange Auszüge aus der Urteilsbegründung druckten. Der Richterspruch zeige, dass man noch nicht in einer »antifaschistischen Bananenrepublik« lebe. »Die Voraussetzungen für eine Umkehr haben sich mit dem Karlsruher Gerichtsurteil leicht verbessert. Rein zufällig, aber trotzdem bemerkenswert ist die Koinzidenz mit der Machterosion von Rot-Grün«, meint die Junge Freiheit.

Doch die Macher des Blatts wissen, dass die Sache nicht ausgestanden ist. Auf der ersten Seite der aktuellen Ausgabe ist von einem »ewigen Kampf um die Pressefreiheit« die Rede.

Die drohende Redundanz des auf mythische Längen angesetzten Ringens dürfte die Stammleser dennoch nicht vergraulen. Sie stehen, wie ihre Briefe belegen, an der Seite der Zeitung. Auch der ehemalige CDU-Abgeordnete Martin Hohmann, der im Oktober 2003 mit einer antisemitischen Rede auf sich aufmerksam machte, hat seine Glückwünsche in einer Zuschrift übermittelt. Er weiß, was er der Jungen Freiheit schuldig ist. In der Ausgabe vom 1. Juli widmete die Zeitung dem »Fall Hohmann« einen Artikel und eine Diskussion über eine mögliche parteiunabhängige Kandidatur Hohmanns bei den Bundestagswahlen. Trotz strittiger Sachfragen steht man an der Seite des hessischen Politikers. Denn man stilisiert ihn und sich selbst zu Opfern eines »hysterisch geführten Kampfes gegen Rechts«.

Um Kämpfe und um Opfer geht es auch in der aktuellen Ausgabe. In dieser Woche huldigt die Zeitung auf ihrer ersten Seite den Attentätern des 20. Juli 1944, auch wenn der Versuch, »Deutschland retten« zu wollen, fehlschlug und mit einem »Opfer für die Nation« endete. Dass Deutschland vor den Alliierten kapitulieren musste, scheinen die aufrechten Patrioten der Jungen Freiheit noch immer nicht verwunden zu haben.

Das bedeutendste Thema der Ausgabe sind jedoch die Anschläge in London. Das Blatt kann wieder einmal einen prominenten Interviewpartner präsentieren. Das verkauft sich gut und steigert die Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Der Nahost-»Experte« Peter Scholl-Latour bedauert, dass die Terroristen offensichtlich nicht von den Deutschen lernen wollen. »Auch wir haben einmal den Fehler gemacht zu glauben, Großbritannien mit Bomben niederzwingen zu können«, sagt er. Der Terror sei das falsche Mittel. Es gehe darum, »der Ungerechtigkeit in der islamischen Welt zu begegnen«. Es solle Schluss sein mit der »militärischen Präsenz fremder Streitkräfte in der Region« und dem Import westlicher »Gesellschaftsformen, die mit den koranischen Vorschriften nicht vereinbar sind«.

Scholl-Latour liefert die Stichworte für Alain de Benoist, die Hauptfigur der Neuen Rechten in Frankreich und langjähriger Schreiber der Jungen Freiheit. Mit einem weiteren Autor der Ausgabe ist er sich einig, dass dem westlichen Universalismus die Schuld an den Anschlägen in London zukomme. Der Universalismus erschüttere »kulturelle und ethnische Bindungen« in anderen Ländern und schaffe durch die Migration das Konfliktpotenzial, das sich in Großbritannien entladen habe. Die Berichterstattung der Jungen Freiheit über die Londoner Anschläge wird so zum Plädoyer für den völkischen Menschenzoo.

Ob sich ahnungslose Probeleser der Jungen Freiheit den »Durchbruch für kritischen Journalismus« so vorgestellt haben? Sie haben jedenfalls vier Wochen Zeit, sich darüber belehren zu lassen, warum der westliche Universalismus böse, die Pressefreiheit hingegen gut ist.