Mal ehrlich

Wahlprogramm der CDU/CSU von stefan wirner

Mal ehrlich, soll das schon alles gewesen sein? Soll das der Masterplan zur Rettung Deutschlands sein, das »Regierungsprogramm 2005 bis 2009«, das Angela Merkel und Edmund Stoiber in der vorigen Woche vorstellten? Soll von diesem öden Katalog der »Ruck« ausgehen, auf den die Unternehmer in diesem Land nun schon seit etlichen Jahren sehnlichst warten?

Vielleicht ist die CDU/CSU ja auf Trickbetrüger hereingefallen. Die Ghostwriter, die das Programm verfasst haben, könnten dieselben sein, die vor sieben Jahren die Wahlbroschüre der SPD herstellten. Dort war zu lesen: »Deutschland braucht endlich wieder eine glaubwürdige Führung, die sich nicht im ›Weiter so‹, im einseitigen Verteilen von Lasten und im konzeptionslosen Durchwursteln erschöpft.« Die CDU/CSU meint heute: »Eine Politik des ›Weiter so‹ vergibt Deutschlands Chancen. Unser Land aber kann sich kein weiteres verlorenes Jahr mehr leisten.« Unter Helmut Kohl hieß es noch: »Weiter so, Deutschland!«

Alles soll mal wieder wachsen in den nächsten Jahren, das »Wissen«, das »Können«, die »Teilhabe«, das »Vertrauen«, kurz gesagt: »Wirtschaftswachstum. Gerechtigkeitswachstum. Innovationswachstum.« Man will »Deutschlands Chancen nutzen«, denn: »Was andere können, kann Deutschland auch.« Die Politik wird eine »Kraftquelle für Bewegung und Fortschritt im Sinne der Menschen«!

Demnächst herrscht mal wieder »Vorfahrt für Arbeit«. Man will den Arbeitslosen »wieder eine Chance geben«, und zwar durch »längere Arbeitszeiten«, denn die schaffen bekanntlich Arbeitsplätze. Auch Menschen, die schon eine Arbeit haben, erhalten »neue Chancen«. Zum Beispiel einen »flexiblen Arbeitsmarkt«. Oder die Möglichkeit, mit dem Unternehmer »abweichend vom Tarifvertrag einzelvertragliche Vereinbarungen« zu treffen. Sie können also weniger Lohn bekommen, wenn sie wollen! Ganz was Neues!

Und auch der Kündigungsschutz wird besser, nämlich »flexibler«! Das Sonderangebot heißt: »Für Neueinstellungen wird das Kündigungsschutzgesetz in Betrieben bis zu 20 Beschäftigten ausgesetzt.« Reicht das? Ist das alles mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Ifo-Institut abgesprochen? Nicht, dass wir uns deren Gejammer noch einmal vier Jahre lang anhören müssen.

Und dann auch noch die Idee, die Mehrwertsteuer zu erhöhen! Die könnte nun wirklich von der SPD stammen. Alles wird bald noch teurer! Dafür soll der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent und der Spitzensteuersatz auf 39 Prozent gesenkt werden. Wie viel der einzelne draufzahlt, kann er sich selbst ausrechnen.

Selbst die Bild-Zeitung zeigt sich übel gelaunt: »Mit Mehrwertsteuer-Mathematik kann man vielleicht einen Pisa-Wettbewerb gewinnen, aber keine Wahlen. Wir wollen doch nach vorn und nach oben – wieder aufs ›Treppchen‹ der wirtschaftlichen Welt-Olympiade. Dazu gehören Glaube und Hoffnung. Die erzeugt man durch Persönlichkeit, nicht durch Programm.«

Vor allem nicht mit diesem Programm. Atomkraftwerke bleiben länger am Netz, der Transrapid wird gebaut, die Bundeswehr schützt im Inland vor dem Terror, der Vandalismus wird bekämpft, die Sozialsysteme werden weiter reformiert, die Zuwanderung wird begrenzt, alles schön und gut, doch wozu braucht man hierfür einen Regierungswechsel? All das hätte Gerhard Schröder doch auch hinbekommen, nur unter weniger Protesten. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung erkennt nur »Schlagworte« und ein »Credo des Pragmatismus«. Wo ist der große Wurf? Die »geistig-moralische Wende«? Mal ehrlich!