Zum Leichenschmaus die Internationale

Die PDS heißt jetzt Linkspartei. Vom Parteitag in Berlin berichtet ivo bozic
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Wie viel Zeit muss noch verstreichen, bis wir uns die Hände reichen?« Zu den Liedzeilen der »Sportfreunde Stiller« deckten junge Parteimitglieder das rote Banner mit dem PDS-Logo hinter dem Rednerpult ab und enthüllten das neue, auf dem zu lesen war: »Die Linke. PDS – Für eine neue soziale Idee«.

»Wir werden dann nicht mehr die gleichen sein«, geht der Text der »Sportfreunde Stiller« sinnfällig weiter. Während die Demokratischen Sozialisten also noch auf der Suche nach einer neuen Idee sind, haben sie bereits einen neuen Partner, die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (Wasg), und nun auch einen neuen Namen: »Die Linkspartei«. Die PDS ist seit Sonntag Geschichte.

74,6 Prozent der Delegierten stimmten einem Antrag des Parteivorstands auf Änderung des Parteinamens zu. Die einzelnen Landesverbände können demnach entscheiden, ob sie den Zusatz PDS in ihren öffentlichen Auftritten nutzen oder nicht. Nach der Reihe der jüngsten Landesparteitage zeichnet sich ab, dass im Gegensatz zum Osten im Westen weitgehend auf den Zusatz verzichtet werden dürfte. Kurzbezeichnung wird »Die Linke« sein. Ein Gegenantrag aus dem Kreis der Kommunistischen Plattform (KPF), wonach das Kürzel PDS Bestandteil des neuen Namens bleiben sollte, erhielt nur 20 Stimmen.

Die Wasg hatte bereits am Freitag in einer Urabstimmung mit 81,8 Prozent für das Wahlbündnis mit der PDS votiert. Konkret bedeutet das, dass Mitglieder der Wasg auf den Listen der Linkspartei für den Bundestag kandidieren werden. In einigen Bundesländern sind bereits Listen mit entsprechender Besetzung beschlossen worden.

Vor dem Congress Center am Alexanderplatz in Berlin, wo der außerordentliche Parteitag der PDS stattfand, versammelte sich eine Hand voll Grüner, die auf Plakaten Oskar Lafontaines Populismus kritisierten: »Stoppt rechte Stimmungsmache!« Zu der Aktion hatte der »Wahlkampf-Campaign-Manager« der Grünen, Rudi Hoogvliet, seine Parteifreunde in einer Rundmail aufgefordert. »Es wäre klasse, wenn sich fünf bis sechs Berliner Grüne bereit erklären würden, am Sonntag ein Stündchen gegen Oskar und die PDS/Wasg zu arbeiten.«

Der populistische Auftritt gegen den Populismus erzürnte so manchen Delegierten der PDS auf seinem Weg zur Parteitagung. Dieter Dehm, der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der PDS und Spitzenkandidat der Linkspartei in Niedersachsen, rief: »Hier kommen rote Rächer, weg mit grünen Kriegsverbrechern!« Einem der grünen Wahlkämpfer hielt der langjährige Sozialdemokrat entgegen: »Euch müsste man so die Fresse polieren, dass es knallt.«

Harmonischer ging es im Tagungsgebäude zu. Sowohl junge, eher linke Kader der PDS, wie die sächsische Spitzenkandidatin Katja Kipping, als auch etablierte Vorstandsmitglieder und ein rührender 91jähriger antifaschistischer Widerstandskämpfer warben eindringlich für den neuen Namen und wurden nicht müde, die »historische Verantwortung« zu beschwören, die sich mit dem Wahlbündnis ergebe. Grund für die allgemeine Aufbruchsstimmung waren sicherlich die neuesten Meinungsumfragen, denen zufolge die Linkspartei bei der Bundestagswahl mit zwölf Prozent der Stimmen rechnen kann und im Osten mit 30 Prozent als stärkste Partei sogar vor der CDU liegt.

Der Höhepunkt auch dieses Parteitages war die Rede Gregor Gysis. Während er in Talkshows im Fernsehen in letzter Zeit nur mäßig Eindruck machen konnte, fand er am Sonntag ganz zu seiner alten Form und zu seinem rhetorischen Geschick zurück. Er strotzte in seiner Rede nur so vor Selbstbewusstsein. Die Partei und alle Mitglieder könnten stolz sein auf das Erreichte. Vor 15 Jahren habe man noch mit dem baldigen Ende der PDS gerechnet, und jetzt sei man die politische Kraft, die den gesellschaftlichen Umschwung bringe, erklärte er unter großem Beifall. Die Umbenennung zeuge von der »Bereitschaft, sich zu öffnen« und die »Identität zu erweitern«.

Die Art, wie er die an das rassistische Ressentiment gerichteten Äußerungen Oskar Lafontaines über die »Fremdarbeiter« bagatellisierte, führte jedoch bei nicht wenigen Delegierten zu einigem Unmut. Aber obwohl das Unbehagen über Lafontaines Aussagen durchweg spürbar war und auch in einigen Beiträgen offen ausgesprochen wurde, dominierte deutlich die Solidarität mit dem ehemaligen Bundesfinanzminister. Bodo Ramelow, der Wahlkampfleiter der PDS bzw. jetzt der Linkspartei, sprach gar davon, dass »pogromartig« Hass auf Lafontaine geschürt werde.

Auch der Vorstand der Wasg, Klaus Ernst, hielt eine sehr emotionale Rede. Auf großen Zuspruch stieß seine Äußerung, dass es diejenigen, die an der Legitimation der Gewerkschaften rüttelten, seien, die etwas mit Rechtsextremismus zu tun hätten, »aber nicht wir!« Der Parteivorsitzende Lothar Bisky nannte die Umbenennung einen »zweiten Aufbruch der Demokratischen Sozialisten«.

Im allgemeinen Vereinigungstaumel war es an dem jungen Parteivorstandsmitglied Jan Korte, daran zu erinnern, dass »die Linke nicht nur aus Gewerkschaftern und Sozialdemokraten besteht«. Ein paar von jenen anderen Linken verteilten etwas verloren im Foyer des Congress Center einen offenen Brief, mit dem sie den Zusammenschluss der PDS und der Wasg begrüßten und das Linksbündnis dazu aufriefen, »rassistischer und nationalistischer Stimmungsmache entschieden entgegenzutreten«. Den Brief haben inzwischen über 150 Gruppen und Personen aus dem gobalisierungskritischen, antifaschistischen und internationalistischen Spektrum unterzeichnet.

Noch ist nicht entschieden, ob sich die Linkspartei in zwei Jahren mit der Wasg zu einer Partei vereinigen wird. So planen es zwar Gysi und Lafontaine, doch gegen diesen Prozess, der erst nach der Wahl angegangen werden soll, regt sich Widerstand. Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform lehnte in ihrer Rede eine Fusion ausdrücklich ab. Die Wasg sei erklärtermaßen keine sozialistische Partei und es gebe keinen Grund, »sich im Kapitalismus einzurichten«. Allerdings sagte auch Gysi, dass eine vereinigte Partei unter dem Leitmotiv des »demokratischen Sozialismus« stehen müsse. Doch wie sich die Dinge entwickeln werden, hängt nicht nur von Gysis taktischem Vermögen ab, sondern vor allem auch vom Ergebnis der Bundestagswahl.

Zur tragischen Figur des Tages wurde Uwe-Jens Heuer vom Marxistischen Forum, der nach Gysis Rede aufgeregt den Antrag der KPF verteidigte. »Ihr begrabt heute die PDS als eigenständige Partei«, erklärte er. Viele Genossen hätten »das Gefühl, überfahren zu werden«. Mit dem neuen Namen werde »das Ziel des Sozialismus aufgegeben«. Sein Beitrag störte die Harmonie, und erst das Absingen der Internationale ließ am Ende wieder die ersehnte Familienfeststimmung aufkommen.