Die Patrioten der Ausbeutung

Den Kündigungsschutz hat die französische Regierung kurzerhand gestrichen. Aber wenn eine US-amerikanische Firma angeblich eine französische übernehmen will, wird sie böse. von bernhard schmid, paris

Der Reformterror kennt keine Sommerpause. Früher als geplant und ohne eine Beratung des Parlaments beschloss das Kabinett Dominique de Villepins per Verordnung einen »Notplan zur Beschäftigungsförderung«. Offenbar hatte man es sehr eilig. Oder man wollte die Sommerferien ausnutzen, um den absehbaren Protesten zuvorzukommen. Die Beschäftigungssituation sei so alarmierend, dass man schnell handeln müsse, begründete die Regierung ihr hastiges Vorgehen. Dennoch haben die meisten Gewerkschaften für September Protestaktionen angekündigt.

Zu den wesentlichen Bestimmungen des »Notplans« gehört die faktische Abschaffung des Kündigungsschutzes in kleineren und mittelständischen Betrieben. Ein »Neueinstellungsvertrag« erlaubt es künftig, dass neue Beschäftigte in den ersten beiden Jahren jederzeit und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden können.

Dass dieses Gesetz tatsächlich zu einer spürbaren Reduzierung der Arbeitslosigkeit führen wird, wie es sich die Regierung verspricht, darf bezweifelt werden. Andere Auswirkungen sind hingegen wahrscheinlicher: Ein Lohnabhängiger, der unbezahlte Überstunden verweigert, für den Betriebsrat kandidiert, nicht am Wochenende arbeitet, sich über zwölf Stunden Arbeit am Stück beschwert oder darauf besteht, seine Spesen abzurechnen, riskiert künftig, sofort vor die Tür gesetzt werden.

»Der neue Vertrag eröffnet eine rechtsfreie Zone«, kritisiert auch der Arbeitsrechtler und linke Sozialdemokrat Gérard Filoche. Natürlich ist auch ein Arbeiter oder Angestellter, der alle Zumutungen des Unternehmers erduldet, nicht davor geschützt, pünktlich zum Ablauf der zwei Jahre gekündigt und durch einen anderen ersetzt zu werden, der seinerseits mit einem »Neueinstellungsvertrag« augestattet wird.

Ferner sieht der »Notplan« vor, dass gering qualifizierten Jugendlichen eine Ausbildung bei der Armee erleichtert werden soll. Und Beschäftigte, die jünger als 26 Jahre alt sind und nach dem Juni dieses Jahres eingestellt wurden, sollen bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl eines Betriebes unberücksichtigt bleiben. Da ab einer Zahl von 50 Beschäftigten ein Betriebsrat oder ein freigestellter Gewerkschaftsvertreter eingefordert werden kann, könnte dieses Detail unter Umständen eine große Bedeutung erlangen.

Begleitet werden diese Maßnahmen mit dem üblichen ideologischen Brimborium. So forderte Premierminister de Villepin in der letzten Juliwoche einen »ökonomischen Patriotismus«, um den sich die Franzosen »sammeln« sollten.

Zuvor, angesichts einer angeblich bevorstehenden feindlichen Übernahme des französischen Nahrungsmittelkonzerns Danone durch das US-Unternehmen Pepsico, wurde eine Art nationale Bedrohung ausgemalt. Angefangen vom Premierminister und dem Innenminister stiegen eine Reihe Politiker auf die Barrikaden, obwohl Pepsico recht schnell die Gerüchte dementierte. Damit hatte sich eine feindliche Übernahme rechtlich erübrigt, weshalb die KP-nahe Tageszeitung L’Humanité nicht falsch lag, als sie in diesem Zusammenhang von einer »Hanswurstiade« sprach.

Doch das Gerücht über den Kauf von Danone war ein willkommener Anlass, um die vermeintliche Notwendigkeit eines nationalen Schulterschlusses in Zeiten der Globalisierung zu demonstrieren und auf billige Weise einen »Widerstand gegen die Mächtigen« zu simulieren. Und das ausgerechnet bei einem Konzern, der vor wenigen Jahren durch »börsenbedingte Massenentlassungen« aufgefallen war. Das Aktienkapital gehört im Übrigen bereits heute mehrheitlich britischen und US-amerikanischen Anlegern. Eine schöne Farce.