Hören und gehorchen

Die Thronfolge in Saudi-Arabien von jörn schulz

»Ich höre und gehorche, außer in dem, was Ungehorsam gegenüber Gott wäre.« Hunderte von Geistlichen, Prinzen, Offizieren, Stammesführern und gewöhnlichen Untertanen defilierten am Mittwoch der vergangenen Woche an König Abdullah vorbei und gelobten ihm mit diesen Worten Treue.

In ähnlicher Weise sollen einst die Nachfolger des Propheten Muhammad das »bayah« genannte Treuegelöbnis entgegengenommen haben. Damals war die Nachfolgefrage allerdings noch etwas spannender, die Stammes- und Heerführer mussten sich zunächst auf einen Kandidaten einigen. Erst Muawiyya führte nach seiner Machtübernahme im Jahr 660 das Prinzip der Erbfolge ein und begründete eine absolutistische Monarchie.

Im Rest der Welt, auch der islamischen, sind Könige seit der Französischen Revolution etwas aus der Mode gekommen. Saudi-Arabien ist neben Brunei die letzte absolutistische Monarchie der Welt, selbst die kleineren Golfmonarchien gestatten mittlerweile zumindest eine Partizipation der wohlhabenderen Untertanen. Abdullah, der bereits seit dem Schlaganfall König Fahds im Jahr 1995 regierte, gilt als Protagonist der Reformer unter den etwa 7 000 Prinzen. Doch im Hinblick auf die Innenpolitik beschränken sich die Differenzen im Königshaus auf die Frage, ob der Reformprozess sehr langsam und vorsichtig, sehr, sehr langsam und extrem vorsichtig oder besser überhaupt nicht vorangetrieben werden soll.

Den wohlwollenden Regierungen der USA und der EU galt es bereits als Schritt zur Demokratisierung, dass im Frühjahr eine Art Kommunalwahl stattfand. Allerdings durften die Kandidaten im Wahlkampf nicht über Politik sprechen, und obwohl die Kommunalräte keine Befugnisse haben, wurde die Hälfte ihrer Mitglieder vom König bestimmt. Frauen blieben selbstverständlich von der Wahl ausgeschlossen. Doch dem wichtigsten Ölexporteur der Welt sehen die westlichen Regierungen nicht nur den Mangel an Demokratie nach, sondern sogar den Staatsanteil von 75 Prozent an der Wirtschaft.

Die Reformunwilligkeit ist notwendig für das Überleben der Monarchie. Das Königshaus und seine westlichen Freunde behaupten unermüdlich, dass die Saudis nun einmal ein sehr religiöses und konservatives Volk seien, dem man schnelle Reformen nicht zumuten könne. Mansoor Moaddel, der zwischen 2001 und 2003 eine umfangreiche Untersuchung der Wertvorstellungen im Nahen Osten leitete, stellte dagegen fest, dass die Saudis weniger zur Frömmelei neigen als andere Araber oder auch die US-Amerikaner. Nur 28 Prozent der Saudis besuchen wöchentlich einen Gottesdienst, in Ägypten sind es 42 Prozent, in den USA 45 Prozent der Bevölkerung. Mehr als zwei Drittel halten die Demokratie für die beste Regierungsform, weniger als fünf Prozent wünschen sich den ausgebürgerten Saudi Ussama bin Laden als Führer.

Würde den Saudis die Möglichkeit gegeben, ihre Meinung frei zu äußern und sich in Parteien zu organisieren, wäre es wohl schnell vorbei mit dem Hören und Gehorchen. Und ein Kompromiss zwischen der Bevölkerung und einem Königshaus, das nicht nur die politische, sondern auch die ökonomische Macht monopolisiert und etwa ein Fünftel der Öleinnahmen dem Staatshaushalt entzieht, ist schwer vorstellbar. Die Arbeitslosigkeit wird auf bis zu 30 Prozent geschätzt, aber auch die Geschäftswelt wird durch die Korruption und den Klientelismus der Monarchie an ihrer wirtschaftlichen Entfaltung gehindert. Nicht zu Unrecht fürchten die Prinzen, dass sie alles verlieren werden, wenn sie ihren Untertanen zu viele Freiheiten gewähren.