Aufstand an der Peripherie

Trotz des brutalen Vorgehens der Staatsmacht halten die Proteste in den kurdischen Gebieten des Iran an. von thomas schmidinger

An Selbstbewusstsein mangelt es den Vertretern des iranischen Regimes nicht. »Bush sollte wissen, dass unsere Fähigkeiten viel größer sind als die der Vereinigten Staaten«, sagte Hamid Reza Asefi, der Sprecher des Außenministeriums, nachdem der US-Präsident die Anwendung von Gewalt zur Verhinderung der iranischen Atomrüstung nicht ausschließen wollte. Auch die EU reagierte mit Protesten auf die Entscheidung, die Urankonversion in der Atomfabrik in Isfahan wieder aufzunehmen. Doch während das iranische Atomwaffenprogramm nun im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit steht, ist das blutige Vorgehen gegen die Proteste iranischer Kurden bislang unbeachtet geblieben. Dabei demonstriert die neue Führung derzeit, wie sie auf die Demokratiebewegung zu reagieren gedenkt.

Begonnen haben die Auseinandersetzungen, die seit einem Monat andauern, am 9. Juli. Zuvor griffen Einheiten der »Revolutionären Garden« eine Gruppe kurdischer Jugendlicher und junger Männer an, die sich um einen Brunnen in der nordost-iranischen Stadt Mahabad versammelt hatten. Ohne Warnung eröffneten die Garden das Feuer und verhafteten anschließend die teils schwer verwundeten Männer. Der verletzte kurdische Menschenrechtsaktivist Shivan Qaderi wurde in der Polizeihaft gefoltert und ermordet, seine Leiche an ein Auto gebunden und durch die Straßen der Stadt geschleift. Damit sollte die Bevölkerung der traditionellen Hochburg der kurdischen Nationalbewegung eingeschüchtert werden.

Seither gingen in vielen kurdischen Städten Jugendliche auf die Straße, um eine Untersuchung der Todesumstände Qaderis sowie die Bestrafung der Täter zu fordern. Doch zunehmend richten sich die Proteste über die Ereignisse in Mahabad hinaus generell gegen die repressive Politik in den kurdischen Gebieten. Dort ist die Repression im Alltag wesentlich präsenter als in anderen Teilen des Landes. So reagiert die Führung auch auf die jüngste Protestbewegung mit deutlich größerer Härte.

Kurdischen Organisationen zufolge herrscht in den kurdischen Gebieten Irans momentan ein nicht erklärtes Kriegsrecht. In den späten Abendstunden sollen die Sicherheitskräfte Häuser stürmen, Jugendliche festnehmen und deren Angehörige misshandeln. In den vergangenen Tagen wurden demnach in den Städten Mahabad, Baneh und Saqqez mindestens 20 junge Kurden von Sicherheitskräften ermordet. Zudem sollen bei den Protesten mindestens 50 verletzt und 300 verhaftet worden sein. In Oshnavieh wurde mit Jamileh Khezri auch eine junge Frau von der iranischen Polizei erschossen.

In der Stadt Sanandaj wurden zahlreiche Menschenrechtsaktivisten festgenommen, darunter die Frauen- und Menschenrechtlerin Roya Toluiy und der Journalist Edjlal Ghawami. Begleitet wird die Bekämpfung der Proteste von einer Kampagne gegen die kurdische Presse. Die beiden Zeitungen Asou und Achti wurden geschlossen und einige Journalisten verhaftet.

Dennoch gehen die Proteste weiter. Andere Organisationen von Minderheiten im Iran, etwa Vertreter der Araber in Ahwaz, erklären ihre Solidarität mit den Protesten in Kurdistan. So meint Nasser Ban-Assad, der Sprecher der British Ahwazi Friendship Society: »Das Regime zerbröselt an seiner Peripherie. Wir sind solidarisch mit unseren kurdischen Landsleuten, wie sie es im April mit unseren Aufständen waren.« Auch in Balutschistan im Osten des Landes kam es in den letzten Monaten zu Protesten gegen die Schließung von Schulen und sunnitischen Moscheen.