Der Unbeugsame

ich-ag der woche

»Was?« Joachim Meisner ist entsetzt. »Wo habe ich mich entschuldigt?« fragt er die Spiegel-Reporter. Sie haben angenommen, der Kölner Erzbischof habe zumindest einige seiner regelmäßigen skandalösen Äußerungen später relativiert. Das aber ist ein schlimmer, völlig unbegründeter Verdacht. Der Kardinal protestiert aufs Schärfste: »Wann habe ich etwas zurückgenommen?«

Warum sollte er auch seine gezielten homophoben, antifeministischen und die Shoah verharmlosenden Aussagen wieder abschwächen, wenn er doch genau das meint, was er gesagt hat? Seine Diffamierungen bleiben im Gedächtnis, sie profilieren ihn als Wortführer der christlichen Rechten. Regelmäßig setzt der Kardinal noch einen drauf, etwa vor zwei Jahren in Budapest. Dort benannte er schlimme Gefahren für die christliche Werteordnung: Lesben, Schwule, DrogenkonsumentInnen und Terroristen. In die Medien hievte Meisner diese Positionsbestimmung mit einer wohl kalkulierten Provokation. »Der europäische Mensch muss diese Gifte ausschwitzen«, gab die Presse seinen Therapievorschlag wieder.

Während des Weltjugendtags beherbergt Meisner den Papst in seiner Dienstwohnung, und damit ein Verdacht nächtlicher wertegefährdender Handlungen gar nicht erst aufkommt, will er selbst außerhalb logieren. Bevor er sich zur Ruhe legt, wird er wohl auch diese Woche an einer Gewohnheit festhalten: »Ich bete jeden Abend für die Terroristen«, bekannte er gegenüber Spiegel Online auf die Frage, ob er einen islamistischen Anschlag in Köln fürchte. Am Freitag wird Meisner übrigens erneut Gelegenheit haben, eine skandalöse Äußerung nicht zurückzunehmen. Denn dann will er mit dem Papst gemeinsam die Kölner Synagoge besuchen, wo er wegen die Shoah verharmlosender Aussagen kritisiert wird. Wie der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, berichtet, hat er seinen Kritikern nicht einmal ein Gesprächsangebot gemacht.

jörg kronauer