Mehr ist mehr

Ein windiger Geschäftsmann kauft sich bei der größten italienischen Tageszeitung ein. Vermutlich handelt er im Auftrag eines anderen. von filippo proietti

Die wichtigsten privaten Fernsehsender gehören ihm bereits, eine Tageszeitung, der größte Buchverlag und einige Zeitschriften kontrolliert er auch und hat zudem bei den staatlichen Fernsehsendern ein Wort mitzureden. Nun scheint der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi auch die auflagenstärkste Tageszeitung des Landes, das regierungskritische und liberale Blatt Corriere della Sera, kontrollieren zu wollen. »Wir wollen wissen, wer dieses Blatt übernehmen will«, hieß es kürzlich in einem Leitartikel. »Der Schatten des Premiers« war er betitelt.

Angefangen hat die Affäre, die derzeit die Opposition beunruhigt, mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den windigen römischen Immobilienunternehmer Stefano Ricucci. Sein Versuch, die Bank Antonveneta zu übernehmen, wurde in letzter Minute wegen allerlei Unstimmigkeiten gerichtlich gestoppt. Ein Gericht hat ihm weitere Aktivitäten in diesem Zusammenhang untersagt und sein Vermögen beschlagnahmt.

Dennoch gelang es ihm, in den vergangenen Monaten allmählich für 600 Millionen Euro ein Fünftel der Holdinggesellschaft RCS Mediagroup zu kaufen und somit zu ihrem größtem Anteilseigner aufzusteigen. Der RCS-Gruppe gehören der Corriere della Sera, außerdem die Sportzeitung La Gazzetta dello sport, ein Zeitschriften- und Bücherverlag sowie eine Werbeagentur. Zudem ist sie in Frankreich und Spanien tätig, wo sie unter anderem an der Tageszeitung El Mundo beteiligt ist.

Schon länger wurde in Italien vermutet, dass Ricucci, der innerhalb weniger Jahre vom Zahntechniker zum Immobilienhai aufgestiegen ist, sein Vermögen aus verborgenen Quellen bezieht. Doch erst die Telefongespräche, die die Staatsanwaltschaft abhören ließ und deren Protokolle in der vorigen Woche auftauchten, geben Einblicke in seine politischen und finanziellen Verstrickungen. »Ich habe Berlusconi gebeten, uns bei der RCS zu helfen. Wenn nicht, nimmt sich die Linke alles«, sagt Emilio Gnutti, der Bankier der Ricucci-Gruppe, in einem der Telefonate.

Die Vermutung, dass Ricucci nur als Strohmann des Ministerpräsidenten handelt, legen auch die Aussagen des Bankiers Ubaldo Livolsi nahe. Dieser bekannte sich in der vorigen Woche in einem Interview mit dem Corriere dazu, an Ricuccis »Projekt« der Übernahme der Zeitung mitzuarbeiten. Livolsi ist nicht nur ein enger Freund Berlusconis, sondern gehört auch seit Jahren dem Verwaltungsrat von dessen Konzern Fininvest an. In dem Interview sprach er auch von ausländischen Gruppen, die bereit seien, Ricucci zu helfen.

Beim Corriere geht man davon aus, dass es sich dabei um Alejandro Agag, den Schwiegersohn des ehemaligen spanischen Premierministers José Maria Aznar, sowie um das spanische Medienunternehmen Vocento handelt. Dieses ist der zweitgrößte Aktionär des spanischen Fernsehsenders Telecinco, dessen größter Anteilseigner wiederum Berlusconis Firma Mediaset ist.

Nicht nur der Oppositionspolitiker Enrico Letta meint, dass es Berlusconis alte »Obsession« sei, den Corriere zu kaufen. Berlusconi selbst aber dementiert, irgendetwas mit dem Kauf der RCS-Aktien zu tun zu haben: »Es kommt mir unmöglich vor, dass aus dem Nichts ein solches Luftschloss von Lügen und Phantasien gegründet wird.«

Untätig will er in dieser Sache jedoch nicht bleiben. Um die »Privatsphäre der Bürger zu schützen« kündigte er ein neues Gesetz an, mit dem die Veröffentlichung von Telefonprotokollen unter harte Strafen gestellt werden soll. Die jüngsten Veröffentlichungen seien das Ergebnis einer Zusammenarbeit von linken Staatsanwälten und linken Journalisten, heißt es aus seinem Umfeld. Aber vielleicht wird es in absehbarer Zeit keine Zeitung mehr geben, die etwas veröffentlicht, das dem Ministerpräsidenten nicht zum Vorteil gereicht.