Unser Mann

Die Claims sind abgesteckt. Jeder Teil der Population Kreuzberg-Friedrichshains hat seinen eigenen Kandidaten. Für die Alternativdeutschen ist es erneut Christian Ströbele, für die Ostdeutschen die Bürgermeisterin Cornelia Reinauer, während die dritte Gruppe, die Trashdeutschen, längst abgeschrieben ist.

Was tun?, wird man sich in der Kreuzberger Kampa gefragt haben. Und irgendwann, spät in der der Nacht, wird einem die famose Idee gekommen sein, es mit der vierten Gruppe, den Neudeutschen, zu versuchen: »Wir machen was mit Bart, dann haben wir die Türken im Sack!« Plötzlich dürften alle auf den Mann geschaut haben, der seit Jahren kein Treffen des Ortverbands versäumt hatte und dennoch nur als »internationaler Gast« verzeichnet worden war: Ahmet Iyidirli, ein bescheidener Kerl, der sich noch auf seiner Homepage (ahmet.de) für seinen undeutschen Nachnamen entschuldigt.

Hatte es der glatt rasierte Grüne Özcan Mutlu vor ein paar Jahren noch nötig, mit dem Hinweis »Ich bin’s, Mutlu« zu werben, kann Iyidirli auf derlei Zusätze verzichten. Der prächtige Bart allein, auf derselben Höhe wie das Parteilogo platziert, signalisiert: »Ich bin’s, Ahmet! Und unter Kollegen wird man ein paar Sozialreformen und einige Ausbürgerungen nicht krumm nehmen, oder?« Doch, ich fürchte, man wird es. Dass aber die Neonazis ihre Sprüche gegen »Fremdarbeiter«, die sie zwischenzeitig Oskar Lafontaine geborgt hatten, am liebsten über das Porträt Iyidirlis kleben, ist fast ein Grund, ihn trotz alledem zu wählen.

deniz yücel