Nur Normalos und Neo-Popper

Die »jungen Konservativen« von holm friebe

In den achtziger Jahren, zu Zeiten von Kohls geistig-moralischer Wende, hatte man noch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie man sich junge Konservative vorzustellen hatte: Sie trugen Loafer und Barbour-Jacken, karierte Burlington-Pullis, die Frauen Perlenohrringe, die Männer einen Topfschnitt. Sie fuhren Vespa oder Golf-Cabrio, und man nannte sie Popper. Popper waren das genaue Gegenteil, die affirmative Negation der Punks, Hippies und aller sonstigen irgendwie dissidenten Jugendkulturen. Während sich jene Jugendkulturen aber ausdifferenzierten, weiterentwickelten oder auf hohem Niveau versteinerten und seither – meist mit der Vorsilbe »Neo« versehen – zyklische Revivals erleben, war der Popper lange Zeit von der Bildfläche verschwunden. Erst studierte er BWL und diffundierte dann durch die Gesellschaft.

Nun ließe sich mutmaßen, dass die »Wechselstimmung« im Lande und das Abtreten der 68er-Generation den Untoten neues Leben einhauchen könnten. Tatsächlich bahnt sich unter dem Label »neue Konservative« so etwas an wie ein Re-Entry des Poppers in die jugendkulturelle Typo- und Topologie. Im Juli bereits widmete ihm das Magazin der Süddeutschen Zeitung eine Titelgeschichte. Unter der Annahme, »die 68er sind am Ende, und wir müssen uns mit den neuen Konservativen anfreunden«, versuchte die Autorin Mariam Lau eine Annäherung, die allerdings reichlich spekulativ ausfiel. Anhand so disparater Exponenten wie CDU-Sunnyboy Eckhard von Klaeden, der 68er-fressenden Autorin Sophie Dannenberg und dem schreibenden Chirurgen und ehemaligem Panzergrenadier Uwe Tellkamp extrapolierte Lau das Portrait einer Generation, »für die Konservatismus eine knackfrische, attraktive und vorwärtsweisende Angelegenheit ist«. Anschaulicher war die begleitende Bildstrecke, in der ein junges Paar, er halb Dandy, halb Popper, sie im Fünfziger-Jahre-Twinset, in einem Villengarten inszeniert wurde. Die Bildunterschrift präzisierte: »Die jungen Konservativen halten sich gern in Gärten auf, sie kennen sich mit MP3-Playern ebenso aus wie mit Schinkel-Gemälden. Für ihr Arbeitszimmer möchten sie jetzt eine Gipsstatue kaufen.«

Was hier noch reichlich phantasievoll imaginiert wurde, findet nun seine empirische Erhärtung und teilweise Widerlegung in einer gemeinsamen Umfrage von Stern und Neon unter 2 000 jungen Erwachsenen. »Generation Zuversicht – realistisch, optimistisch, konservativ« titelte der Stern und nagelt damit das Bild einer Generation herunter, die den Generationskonflikt hinter sich gelassen hat und das kleine Glück im Privaten anstrebt. 68 Prozent wollen später einmal heiraten, 80 Prozent sind romantisch und glauben an die große Liebe. Trotz der pessimistisch eingeschätzten Stimmung in Deutschland blickt die Mehrheit optimistisch in die eigene Zukunft. 71 Prozent sparen bereits für die Altersversorgung und bemerkenswerte 52 Prozent würden gern in einem anderen Land als Deutschland leben.

Der neue Konservatismus der jungen Generation ist demnach ein pragmatischer, privatistischer und eskapistischer. Er hat nichts gemein mit dem auf Konfrontation angelegten Programm, das etwa die »konservative Revolution« in Weimar verfolgte und das sich kulturell heruntergebrochen auch bei den originären Poppern noch fand. Während jene mit arrogantem Elitarismus zu provozieren und polarisieren verstanden, sind die »jungen Konservativen« harmoniesüchtig. Der Neo-Popper wäre demnach gar keiner, sondern ein Normalo.