Rain of Change

Nach den schweren Überschwemmungen in Süddeutschland wird erstmals offiziell die Klimaveränderung als Ursache benannt. von martin kröger

Die Entwarnung kommt via »Tagesschau«. Nach den »Jahrhundertfluten« am Rhein und an der Mosel im Jahr 1996, an der Oder 1997, dem Pfingsthochwasser in Süddeutschland 1999 und an der Elbe 2002 sei nun auch bei der diesjährigen Flutkatastrophe das Schlimmste überstanden, beruhigt die Sprecherin. Zwar melden die Nachrichtenagenturen am vergangenen Freitag »weiter Land unter in Bayern«, die größte Gefahr sei aber abgewendet.

In einigen Regionen blieb die Lage dennoch übers Wochenende kritisch. Besonders in den Städten und Ortschaften an der Isar und der Donau, über die die Wassermassen abflossen, drohten einige Deiche zu brechen. Bei Erding an der Isar wurde mit 4,27 Metern ein Pegel erreicht, der noch höher als während der Pfingstflut 1999 in Bayern ausfiel.

Nach ersten groben Schätzungen bewegt sich die Schadenshöhe der Überschwemmungen auf demselben Niveau wie nach dem Pfingsthochwasser 1999, als von einer »Jahrhundertflut« gesprochen wurde. Schwerer dürften die Zerstörungen jedoch in Österreich und der Schweiz ausgefallen seien, vermutet Anselm Smolka von der Forschungsgruppe Geowissenschaften der »Münchener Rück«, der größten Rückversicherungsgesellschaft der Welt. Bereits 1999 hätten die ökonomischen Schäden 350 Millionen Euro betragen. Nur bei der Elbeflut 2002 seien die Zerstörungen noch heftiger gewesen.

Dass es zu Überschwemmungen in einer solchen Größenordnung ausgerechnet wieder vor einer Bundestagswahl kommt, hat vergleichbare politische Reaktionen wie im Jahr 2002 hervorgerufen. Schnell wurde die Flut für den Wahlkampf instrumentalisiert. Die SPD beschuldigte die Union und die FDP, wirksame Schutzmaßnahmen in den vergangenen Jahren im Bundesrat boykottiert zu haben. Der bayrische Umweltminister, Werner Schnappauf (CSU), entgegnete, das Land Bayern habe seit 1999 über 676 Millionen Euro in Deiche, Auslaufbecken und Renaturierung investiert.

Unerwartete Unterstützung erhielt er von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne), der zunächst den Bayern attestierte, seit 1999 »sehr energische Konsequenzen« gezogen zu haben. Später verbreitete jedoch auch sein Ministerium, offenbar nach einer internen Nachjustierung, heftige Kritik am Land Bayern. Dabei hat auch das von der SPD regierte Land Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Bayern das von Trittin im Jahr 2002 vorgelegte Hochwasserschutzgesetz, das Bau- und Ackerbauverbote vorsieht, erfolgreich bis zum März dieses Jahres im Bundesrat blockiert.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) bereisten in der vorigen Woche gemeinsam das Katastrophengebiet. Schily forderte dabei mehr Kompetenzen für den Bund. Im Fall von Überschwemmungen will der Bundesinnenminister in Zukunft das Kommando über die Katastrophenschutzkräfte übernehmen. Mit dem so genannten Bevölkerungsschutzgesetz, soll das alte Zivilschutzgesetz abgelöst und der Katastrophenschutz aus der Obhut der Länder genommen und dem Bund unterstellt werden. Das Vorhaben wurde bereits in der gescheiterten Föderalismuskommission diskutiert.

Während die Flut also viele alte politische Debatten belebte, gab es jedoch auch neue Töne zu vernehmen. Wurde bisher noch nach jeder Flut zurückgewiesen, dass die Überschwemmungen vor allem etwas mit der Veränderung des Klimas durch den Menschen zu tun haben könnten, räumen nun viele Politiker den Zusammenhang ein. »Wir leben bereits im Klimawandel«, sagte der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, der Financial Times Deutschland.

Der frühere christdemokratische Bundesumweltminister geht davon aus, dass die Folgen der weltweiten Klimaerwärmung nicht mehr aufzuhalten seien. »Die weltweite Zunahme von Starkregen, Dürren und Stürmen deuten darauf hin, dass sich der Treibhauseffekt bereits auswirkt«, sagte er. Dies sei auch am Schmelzen der Gletscher sichtbar, dem Zurückgehen der Polkappen und der Häufigkeit von Wetterextremen. Als Konsequenz müsse eine »Doppelstrategie« erwogen werden, die einerseits den für die Erwärmung zuständigen Kohlendioxidausstoß verringere und andererseits die Infrastruktur insbesondere an Flussläufen den geänderten klimatischen Bedingungen anpasse. Gerade die Wasserrückhaltefähigkeit in den Oberläufen der Flüsse müsse verbessert werden.

Ähnlich äußerte sich Andreas Troge, der Präsident des Umweltbundesamtes. »Hohe Temperaturen bedeuten höhere Luftfeuchtigkeit und häufigeren, starken Regen, was Klimaforscher seit mehr als einem Jahrzehnt vorausgesagt haben«, sagte er der Berliner Zeitung. Nun müssten »anspruchsvolle weltweite Klimaschutzziele« eingefordert und auch umgesetzt werden. Zudem müsse das Bauen in der Nähe von Flüssen untersagt werden.

Ähnlich argumentierten die Umweltverbände. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) kritisierte, dass in Bayern vielfach nur die Dämme verstärkt würden, anstatt den Flüssen mehr Raum zu geben. Großflächige Auen müssten wieder hergestellt werden, damit sie als Überschwemmungsflächen dienen könnten. Die seit Jahren geplante Renaturierung an Elbe und Rhein verlaufe immer noch schleppend, bemängelte der Umweltverband.

»Seit 1991 warnen wir als Klimaforscher vor diesen Veränderungen«, sagte Mojib Latif, Professor am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften der Universität Kiel, der Jungle World. »Die Brände in Portugal, die Intensivierung von Wirbelstürmen, die starken Monsunregen, das Ansteigen der Meeresspiegel und die Überflutungen von Flüssen weltweit und nicht nur in Deutschland sind Seiten derselben Medaille: der Klimaveränderung.«

Alle diese Vorgänge müssten beobachtet werden, gerade der Anstieg des Meeresspiegels werde in naher Zukunft in Ländern wie Bangladesh, aber auch hier zu großen Problemen führen. Das Problem sei zu groß, als dass es mit einer nationalen Initiative gelöst werden könnte. Ohne die Mitwirkung der USA und Chinas sei das Ziel, die Klimaerwärmung aufzuhalten, nicht zu erreichen.

Allerdings war bis vor kurzem auch in Deutschland die Einsicht in diese Zusammenhänge noch nicht überall verbreitet. Erst vor zwei Wochen forderte Carsten Kreklau vom Bundesverband der Deutschen Industrie eine Abkehr vom so genannten Kyoto-Protokoll, in dem sich das Gros der Industriestaaten zur Reduzierung des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen verpflichtet hat.