Die ersten Takte helfen bei der Orientierung: Schmutzig-lärmige Gitarrenakkorde, Garagenpunk.
Bevor die so genannte neue deutsche Welle im Jahre 1982 so bezeichnet wurde, um schnell Geld damit zu verdienen, hat sie auch Gutes, Wahres und Schönes hervorgebracht. Bei Doc Schoko ist nun all das Verlorengeglaubte wieder da, ebenso frisch wie unverhofft, ebenso originell wie abgekupfert. Es klingt hier alles bis in Einzelheiten hinein nach den Fehlfarben, nach Grauzone, nach Bärchen und den Milchbubis.
Dankbar ist man für die wohltuende, erholsame und schamlose Simplizität in der Instrumentierung: Gitarre, Bass, Schlagzeug, fertig. Bzw. eben halbfertig-dilettantisch, aber genauso soll es sich ja auch anhören. Gern auch Lärm.
Auch was die Texte angeht, bekennt sich Doc Schoko zu der Tradition, mit der er wohl selbst aufgewachsen ist. Der 1980 nach Deutschland eingesickerte Postpunk und die Experimentierfreude und Feindseligkeit gegen jedes Virtuosentum, die er eine Zeit lang hervorgebracht hat, haben nicht nur musikalisch deutliche Spuren hinterlassen, sondern auch eine possierliche Schwermutslyrik, die hier wiederbelebt wird: »Hamburg, München, Rüdesheim / Überall nur Altersheim / Köln, Berlin und Wilhelmshaven / Alle sind schon eingeschlafen / Augsburg, Jena, Wattenscheid / Alle klagen sie ihr Leid / Bremen, Cottbus, Oberhausen / Zwischen Schlaf und Tod nur Pausen / Wir müssen die Puppen tanzen lassen.«
Überdruss, Hoffnungslosigkeit, Zweifel, Weltschmerz, Langeweile. Doch, nicht zu vergessen: Wo sowieso schon alles Lethargie und Entropie ist, kann man’s auch krachen lassen. »Du bist eine gottverdammte, Schweine fickende Lüge / Falsch, von oben bis unten.« Ja, dieses ganz wunderbare Album kommt zweifelsohne rechtzeitig zur Großen Koalition.
thomas blum
Doc Schoko: Große Straße (Louisville Records)