28.09.2005

Put on your Blue Genes

Von neoliberalen Genen, opferlosem Fleischkonsum und leuchtenden Häschen. Eine Ausstellung in Berlin wirft einen kritischen Blick auf die so genannte BioTech-Kunst. Von Carsten Does

Bis zum 23. Oktober 2005 wird in der NGBK in Berlin die Ausstellung »Put on your Blue Genes« zu sehen sein. In ihrem Mittelpunkt steht eine Kunst, die sich bio- und gentechnologischer Verfahren für ihre Produktion bedient und als BioTech-Kunst enorme Aufmerksamkeit erfahren hat. Während vor einem Jahrzehnt der Kunstbetrieb noch eine Nische zu sein schien, in dem eine von Feministinnen formulierte Kritik der Biotechnologie fortgeschrieben werden könnte, so ist mittlerweile eine künstlerische Reflexion der politischen und sozialen Effekte der neuen Biowissenschaften zu Gunsten einer weitgehend affirmativen, spektakularisierenden Annäherung zurückgetreten. Heute wollen Künstler in die Evolution eingreifen und das Leben selbst gestalten. Man »redesignt« die Flügel von lebenden Schmetterlingen und reprogrammiert den genetischen Code von E.coli-Bakterien.

Obwohl der Wunsch, die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft aufzuheben, eine kritische Interdisziplinarität befördern könnte, bleiben viele BioTech-Kunstwerke allein dem biotechnologisch Machbaren verhaftet. Dies gilt auch für Eduardo Kac, dessen »GFP-Bunny«, ein Kaninchen, welches dank eines eingefügten Quallengens grün fluoreszieren sollte, für die größte mediale Resonanz sorgte. Die Methode, die Kac für sein transgenes Kunstwerk nutzte, dient seit langem als wissenschaftliches Standardverfahren zur Sichtbarmachung von Tumorzellen. Ein sorgfältig inszenierter Medienskandal um den Leuchthasen sorgte zwar für einen kurzen Moment des Schocks, doch mittlerweile gibt es mit »Glofish™« solche genmanipulierten Tiere auch für das heimische Aquarium. Dabei hat Kac recht, wenn er in Verteidigung seines »Gen-Haustiers« festhält, dass die Vorstellung einer »unberührten Natur« fragwürdig ist und bereits das Kaninchen selbst ein Ergebnis langer menschlicher Zuchtanstrengung ist.

Aber auch wenn die Behauptung einer »natürlichen Natur« zur Kritik der Life Sciences nicht taugt, bleibt zu fragen, wer zu welchem sozialen, ökonomischen, militärischen oder ökologischen Ende hin mit welchen Interessen und im Kontext welcher ideologischen Konstrukte Pipette und Petrischale in Bewegung bringt. Dies aufzuzeigen, hat sich nun die Ausstellung »Put on your Blue Genes« vorgenommen. Sie untersucht, in welchem gesellschaftlichen Kontext sich der Aufstieg einer BioTech-Kunst vollzieht und wie diese als Teil eines Durchsetzungsspektakels strategisch von der Life-Science-Branche gefördert wird.

Ist, wer das »Künstler-Gen« besitzt, fit für die Risikogesellschaft? Tatsächlich korrespondiert gerade im Bereich der medizinischen Biotechnologie der Diskurs um genetische Dispositionen für bestimmte Krankheiten mit einem neoliberalen Umbau des Gesellschaftssystems, der alle Risiken auf den Einzelnen abzuwälzen sucht. Hier wie dort sollen wir uns der Risiken, seien sie genetischer oder sozialer Natur, bewusst werden, um die entsprechenden Vorsorgeprodukte nachzufragen.

Beispielhaft ist hier das mit umfangreichen Mitteln geförderte Nutrigenomik-Projekt in Berlin, ein Forschungsverbund, der auf Grundlage genetisch veränderter Pflanzen präventiv wirksame Nahrungsmittel entwickelt. Diesem Projekt fällt nicht nur die Rolle zu, für eine höhere Akzeptanz von genmanipuliuerten Pflanzen zu sorgen, sondern es kann auch als ein Versuch beschrieben werden, eine genetische Totalität herzustellen, in welcher der Einzelne in Zukunft permanent dazu angehalten wird, seinen Ernährungs- und Lebensstil zu optimieren. In einer Kücheninstallation und einer Anzahl von Kochperformances untersucht das belgische Künstlerprojekt Die Agentur diese Zusammenhänge von Krankheiten, Ernährung, Functional Food und den über Patente abgesicherten Interessen der Life-Science-Branche.

Während sich Die Agentur noch traditionellen Kochrezepten widmet, lässt eine Videoinstallation des Tissue Culture & Art Project (TCAP) den Betrachter an deren ironischen Gewebezüchtungen für einen »opferlosen Fleischkonsum« teilhaben. Seit Jahren arbeitet TCAP mit »halb-lebendigen«, aus tierischen und menschlichen Zellen gezüchteten Objekten. Sie stellen einen Verstoß gegen viele unserer Kategorien von Leben und Körper dar, mit denen auf die Diskrepanz zwischen unserer (anthropozentrischen) Ethik und einer biotechnologischen Praxis verwiesen wird. Darüber hinaus möchte TCAP mit seinem SymbioticA-Labor ein Wissen um die Manipulation lebender Systeme über Workshops und Stipendien zumindest unter Künstlern verbreiten. Die nicht zweckgerichtete Arbeit des BioTech-Künstlers soll, so die Hoffnung, als kritisches Korrektiv der wissenschaftlichen und kommerziellen Forschung wirken.

Einen Schritt weiter geht das Critical Art Ensemble (CAE), das mit den Methoden der Biotechnologie selbst Widerstandsstrategien gegen die Life-Science-Branche zu entwickeln sucht. Die in der NGBK erstmals ausgestellte Arbeit »Germs of Deception« beinhaltet Bakterienkulturen, die als Anthrax-Simulant fungieren und deren Besitz dem CAE-Künstler Steve Kurtz in den USA eine strafrechtliche Verfolgung unter dem Vorwurf des »Bioterrorismus« einbrachte. Während das CAE mit seiner Installation eine Politik der Angst vor erneuten Bioangriffen dekonstruiert, inszeniert Paul Vanouse mit dem DNA-Material seiner Familienangehörigen ein genetisches Wettrennen, das sowohl die frühe Rasseeugenik als auch eine moderne Wissenschaftsgläubigkeit ironisiert.

Beide Arbeiten verweisen zwar auf einen kritischen Flügel der BioTech-Kunst, sie werfen aber gleichzeitig auch die Frage auf, inwieweit die Integration der Kritik im Bereich der Life-Science-Ausstellungen nicht auch eine Voraussetzung für die erfolgreiche kulturelle Durchsetzung der Biowissenschaft als neue Leitwissenschaft bildet.