Ganz schön integriert

Ausstellung »Integration – Bilder von Migrantinnen in Berlin«

»Wir eignen uns den Begriff der Integration an. Uns geht es darum, Migrantinnen im städtischen Raum öffentlich sichtbar zu machen.« Die Erklärung der Soziologin Estela Schindel zum Titel der Ausstellung, die sie gemeinsam mit der Grafikerin Florencia Young und der Künstlerin Marula Di Como konzipiert hat, klingt recht theoretisch. Dass auch Witz und Ironie mit im Spiel waren, wird im Gespräch mit den drei Kuratorinnen deutlich: »Wir sind ja selbst ziemlich offiziell, zumindest bekommen wir Geld von der Stadt Berlin. Außerdem gibt es einen dummen Spruch unter uns Migranten. Wenn du eine bestimmte Eigenschaft an den Tag legst, die als typisch deutsch gilt, zum Beispiel Pünktlichkeit oder Vollkornbrot essen, dann heißt es: Mensch, du bist heute aber integriert«, sagt Di Como augenzwinkernd.

Mehr als drei Monate lang haben die drei Frauen, die alle aus Argentinien stammen und seit mehreren Jahren in Deutschland leben, Workshops mit Migrantinnen aus verschiedenen Ländern veranstaltet. Auch wegen der schwierigen Verständigung bestand die Idee darin, dass die Frauen sich nicht nur verbal über ihre Erfahrungen mit der Migration austauschen, sondern ihre Erlebnisse und Empfindungen darüber hinaus auf künstlerische Weise mitteilen sollten.

200 Zeichnungen zu so unterschiedlichen Themen wie »Strukturen«, »Angst« oder »Nachbarn« sind dabei entstanden. Die Aspekte, die sich als besonders bedeutsam erwiesen oder die sich mehrfach wiederholten, übersetzten die Kuratorinnen in 20 Piktogramme, also international verständliche Zeichen. Da ist ein Telefon, zärtlich umarmt als die einzige Verbindung zu Freunden und Verwandten im Herkunftsland, oder das Baby im Bauch der schwangeren Migrantin und die Frage darunter: »Wird es dazugehören?«

Bis Ende Oktober sind die Zeichnungen und Piktogramme in der »Galerie im Saalbau« im Berliner Stadtteil Neukölln ausgestellt. Drei Piktogramme werden außerdem ab Mitte Oktober auf Plakaten an 90 Bushaltestellen zu sehen sein.

»Es ist total erstaunlich, dass die Frauen, die die Zeichnungen gemalt haben, aus ganz verschiedenen Ländern und Kontexten kommen und trotzdem vieles immer wieder auftaucht«, sagt Bouchra vom Verein Interkulturelle Familienbildung Tiergarten. »Mir gefällt besonders das Piktogramm ›Unsichtbar‹. Man sieht zwei Frauen, die Hand in Hand gehen, und eine alleine daneben. Ich bin im Zwischenraum zwischen dem Pärchen und der Einzelnen. Das symbolisiert, dass ich hier nicht voll anerkannt bin«, erklärt sie. Die Frauen ihrer Gruppe hoffen, dass vor allem Deutsche die Ausstellung besuchen und dadurch die Gefühle der Migrantinnen besser verstehen lernen.

Wie wenig die Darstellungen in vorgefertigte Klischees passen, wird daran deutlich, dass weder dem Thema Religion noch den Ehemännern in den Zeichnungen der Frauen besonders viel Platz eingeräumt wird. »Die Frauen sind keine Opfer. Sie erleben ihre Migration unabhängig vom Mann und setzen sich individuell mit ihr auseinander«, meint Estela Schindel. Für Bouchra ist die Sache etwas einfacher. Ihr Mann sei zwar durch die Migration auch depressiv geworden, aber deswegen käme er noch nicht darauf, seine Ängste und Hoffnungen einfach aufzumalen. Zeigen will sie ihm ihre Bilder trotzdem.

jessica zeller

Die Ausstellung »Integration – Bilder von Migrantinnen in Berlin« ist bis zum 30. Oktober in der »Galerie im Saalbau«, Karl-Marx-Straße 141, zu sehen.