Landeier leben einsam

Die RTL-Serie »Bauer sucht Frau« vertreibt auch noch die letzten romantischen Vorstellungen vom Landleben. von elke wittich

Von manchen Illusionen verabschiedet man sich spätestens dann, wenn man feststellen muss, dass die hübschen Geschichten, die einem im Kindergarten so erzählt werden, gar nicht wahr sind.

Dass Bauernhöfe nicht ausschließlich als Wellnessfarmen für niedliche Tierbabys dienen, ahnt man spätestens dann, wenn man die Zusammenhänge zwischen einem Wiener Schnitzel und dem geheimnisvollen Verschwinden des noch vor wenigen Wochen bei einem Besuch im Stall gestreichelten Kälbchens versteht.

Und überhaupt, der Stall: Was einem in Bilderbüchern als so eine Art Puppenstube für nette Schweinchen, furchtbar liebe Kühe und lustige Schäfchen präsentiert wurde, ist in Wirklichkeit ein finsterer, unordentlicher Behälter für Viehzeug, das den ganzen Tag nichts anderes tut als zu fressen, vor sich hinzustinken und hin und wieder seine Besucher zu beißen.

Und auch sonst ist es auf einer Farm eher unschön: Der lustige rote Traktor, der mit einem fröhlichen »Puffpötter« durch die einschlägigen Geschichten fährt, ist in Wirklichkeit grün, riecht unangenehm und verteilt beim Überqueren des nur unzureichend gepflasterten Hofs eine Mischung aus Matsch und Tierkot über die belebte Umwelt. Die idyllisch-rosa blühenden Apfelbäumchen stehen neben einem Misthaufen und dienen Wespen als Homebase. Und im Bauernhaus werkelt nicht etwa eine grundgütige Oma in der mit von Generation zu Generation weitervererbten handgefertigten Möbeln ausgestatteten Küche vor sich hin, nein, am wie der Rest der Einrichtung aus den Siebzigern stammenden Resopaltisch öffnet eine bezahlte Putzfrau eine Konservendose mit matschigem Gemüse, zu dem später ermordetes Kalb serviert werden wird.

Bäuerin zu werden, kam deswegen nur in den Plänen der allerwenigsten kleinen Mädchen vor – als Balletttänzerin, Eisprinzessin oder Indianerin wird man es, so viel ist einem schon mit Fünf klar, später auf jeden Fall einmal besser haben.

Für die armen Bauern, die deswegen ohne passende Bäuerinnen durchs Leben gehen müssen, sucht RTL nun jeden Sonntagabend um kurz nach Sieben im Rahmen der neuen Doku-Soap »Bauer sucht Frau« passende Landwirtinnen. Denn, so verkündeten die Verantwortlichen des Senders zum Serienstart stolz das Ergebnis einer von ihnen in Auftrag gegebenen Umfrage, 70 Prozent der deutschen Bauern seien partnerlos, ein unhaltbarer Zustand, den man nun dringend ändern wolle. Jedenfalls bei sieben von insgesamt mehr als 370 000 deutschen Landwirten, deren Werben um »moderne, selbstbewusste Partnerinnen« nun mit der Kamera begleitet werden wird.

Und von Moderatorin Inka Bause, RTL zufolge die Tochter eines bekannten DDR-Komponisten, die dem Zuschauer vermitteln möchte, »was es heutzutage bedeutet, Landwirt zu sein, und wie schwer es für diese Berufsgruppe ist, einen passenden Partner zu finden«.

Gut, ein bisschen blöde ist es da schon, dass der Deutsche Bauernverband ebenso öffentlich wie hartnäckig darauf beharrt, die ihm angeschlossenen Landwirte seien zu 65 Prozent verheiratet. »Die Bauern sind von Vereinsamung nicht mehr betroffen als alle anderen Bevölkerungsgruppen«, erklärte Verbandssprecher Michael Lohse. »Es handelt sich dabei nur um ein gerne immer wieder bemühtes Vorurteil.

Das Ergebnis der RTL-Umfrage, die in Zusammenarbeit mit der auf die Vermittlung von Provinzbewohnern spezialisierten Agentur »Landflirt« entstanden sei, könne daher unmöglich zutreffen.

Sieben einsame Bauern aus den unterschiedlichsten landwirtschaftlichen Bereichen – vom traditionellen Schafhalter bis hin zum Ökolandwirt – wurden am vorletzten Sonntag vorgestellt. Mehr als 1 000 Anfragen interessierter Frauen seien seit dem vom Sender verbreiteten Aufruf eingegangen, freute man sich bei RTL.

Womit man die eigene Argumentation nur partiell ad absurdum führte: Das Problem liegt eher darin, dass die vorgestellten Landwirte auch dann schwer vermittelbar wären, wenn sie von Beruf Diplom-Chemiker oder Anwalt für Patentrecht wären. Wie Olaf, der als »sensibler Landwirt« präsentiert wird, aber ein Problem hat. Seine Mutter, die am Resopal-Küchentisch vor sich hinwerkelt und erklärt, dass es nun höchste Zeit für den Jungen werde, endlich zu heiraten. »Ich will ja nicht sagen, dass er alt ist, aber wenn man auf die 30 zugeht….«

Karl, 37 Jahre alt, »davon zehn Jahre ohne Liebe«, wie Moderatorin Inka Bause erklärt, hat zwar auf den ersten Blick keine nervende Mutter, dafür jedoch jede Menge Viecher. 25 Milchkühe und 60 Rinder stehen in einem durchschnittlichen Kuhstall, über den die Blondine in helle Verzückung gerät. »Mann, ist das schön, friedfertige, glückliche Kühe – und hier soll deine Herzensdame dann später werkeln?«

Werkeln ist ein höchst unzutreffender Ausdruck für Kuhkacke-Schippen, aber Karl will jetzt endlich eine Frau und hütet sich deswegen davor, unangenehme Wahrheiten zu verbreiten.

30 Briefe seien für ihn gekommen, freut sich die Moderatorin, »das ist viel«. Nicht unbedingt, wenn es tatsächlich, wie sie kurz zuvor verkündete, weit mehr als 1 000 Episteln waren, die von grundsätzlich an Bauern interessierten Frauen geschrieben wurden.

Aber es gilt ja auch noch andere Farmer zu beweiben, zum Beispiel Rainer, »den raubeinigen Schäfer«. Der 43jährige mit dem lila Kratzepulli und dem braunbeigen Häkelkäppi hat dabei jedoch definitive Einstellungsvoraussetzungen: Frauen mit »roten Fingernägeln und hochhackigen Schuhen« mag er nicht haben. Und stellt nebenher seinen Mischlingshund Tipp mit den Worten vor: »Meine Frau, noch meine Frau«.

Autsch. Das Thema wird jedoch nicht weiter vertieft, denn neben den 430 Schafen leben auch einige niedliche schwarze Entchen auf dem Hof. Sind die schööööön! Das findet Rainer auch: »Am schönsten sind sie im Backofen!«

Aber nun ist die Vorstellung der heiratswilligen Bauern auch schon vorbei, nun sind die ihnen zugedachten Frauen an der Reihe. »Rainer, für dich hab’ ich die Ute und die Sabine«, frohlockt Bause.

Rainer und die anderen Landwirte haben nun Zeit, mit den Kandidatinnen ins Gespräch zu kommen und dann zu entscheiden, welche sie probehalber aufs Land verschleppen wollen.

Nur Hubert hat nichts zum Aussuchen, denn Andrea räumt freiwillig das Feld und erspart sich damit eine Zukunft voller Mist, Gestank und frühem Aufstehen.

Auch bei Stefan, der eigentlich ganz niedlich aussieht, läuft nicht alles wie geplant. Er würde zwar gerne beide Frauen mitnehmen, aber die wollen blöderweise nicht gemeinsam bei ihm wohnen. »Ich versuch’, dich zu kriegen, sie versucht, dich zu kriegen«, umreißt eine der beiden die Tatsache, dass sie absolut keine Lust auf die Reality-Soap »Kampf auf dem Bauernhof« hat. Was für den Sender, der sich sicherlich schon auf Schlammcatch-Einlagen gefreut hat, noch enttäuschender ist als für Stefan, der recht gefasst aussieht. Denn er darf immerhin eine aussuchen, und seine Wahl fällt auf die Grundschullehrerin Tanja, die auch rein optisch gut zu dem rundlichen Mann passt.

Sogar für den Schäfer Rainer scheint alles gut zu werden. Zunächst ist er ganz schüchtern, bittet dann jedoch sowohl Ute als auch Sabine zum, wie Moderatorin Bause es schelmisch ausdrückt, »Schäferstündchen auf den Hof«.

Das lässt für die nächsten Sonntage, wenn die Verteilungskämpfe um die Hofbesitzer voll entbrennen werden, Schlimmes ahnen. Die Bauseschen Wortwitzchen werden vermutlich »echte Ferkeleien« enthalten.