Protest gegen die Freundin

Präsident Bush hat seine persönliche Anwältin zur Richterin am Obersten Gerichtshof ernannt. Vor allem rechte Republikaner kritisieren diese Entscheidung. von william hiscott

Im Juli trat die Richterin Sandra Day O’Connor zurück, im September starb der Gerichtsvorsitzende William H. Rehnquist. Dass innerhalb so kurzer Zeit gleich zwei Sitze im Obersten Gerichtshof frei wurden, ist eine einmalige Chance für den US-Präsidenten George W. Bush, die Gesetzgebung in den USA für viele Jahre zu beeinflussen. Denn das Oberste Gericht entscheidet darüber, ob neue Gesetze, etwa zu Gleichberechtigung von Homosexuellen, verfassungsgemäß sind.

Kurz nachdem der Kongress die Ernennung von John Roberts zum neuen Präsidenten des Gerichtshofes bestätigt hatte, nominierte Bush in der vergangenen Woche seine derzeitige Rechtsberaterin Harriet Miers für den zweiten Sitz. Kritisiert wird diese Entscheidung vor allem von konservativen Republikanern. Tatsächlich ist die Ernennung überraschend, denn Miers hat weder Erfahrung als Richterin noch hat sie sich außerhalb von Texas besonders profilieren können. Die 1945 in Texas geborene Juristin arbeitete in Dallas über 25 Jahre lang in einer Anwaltspraxis. 1992 wurde sie zur Präsidentin der Anwaltskammer in Texas gewählt; es war das erste Mal, dass eine Frau dieses Amt übernahm.

In den achtziger Jahren scheint sie eher der Demokratischen Partei nahe gestanden zu haben, ihre politische Karriere begann jedoch erst mit der Wahl Bushs zum Gouverneur von Texas. 2001 ging sie dann mit Bush nach Washington, sie diente zunächst als seine leitende Stabssekretärin, wurde dann Vizestabschefin des Weißen Hauses und nach der Wiederwahl 2004 die persönliche Anwältin des Präsidenten.

Es gibt zwar Hinweise darauf, dass sie in Bürgerrechtsfragen etwas liberaler ist als Bush. Allerdings gehört sie seit Jahrzehnten einer evangelischen Wiedererweckungskirche in Texas an: »Genau wie Bush«, schreibt die politische Kolumnistin Molly Ivins, »kommt Miers aus dem klassischen konservativen Establishment in Texas.« Sie wird von einigen christlichen Zirkeln unterstützt, insgesamt aber überwiegen im christlich-konservativen Milieu noch die ablehnenden Stimmen.

Gewollt haben sie einen richtigen Scharfmacher. Prominente Rechtskonservative wie Rush Limbaugh kritisieren Miers’ Unerfahrenheit und den Mangel an politischer Profilierung. Limbaugh hat Bush sogar Verrat an der konservativen Bewegung vorgeworfen, er bezeichnete die Berufung von Miers als eine »verschwendete Gelegenheit« im Kampf um die konservative Übernahme des Obersten Gerichts. Alle Versuche der Regierung, dieses Milieu zu besänftigen, blieben bislang erfolglos.

Dennoch wird Bush wahrscheinlich an der Ernennung festhalten. Empfindlicher scheint allerdings die republikanische Führung im Senat zu reagieren, manche befürchten offenbar Verluste bei der Kongresswahl im kommenden Jahr, wenn Bush weiterhin die momentanen Krisen nicht bewältigt und nun auch noch einen Teil seiner Anhängerschaft verärgert. Möglicherweise wollen einige Senatoren einen Bruch mit Bush wagen, indem sie sich eindeutig gegen Miers aussprechen. Das könnte ihre Popularität bei der konservativen Anhängerschaft steigern, selbst wenn sie Miers’ Berufung nicht verhindern können. Besonders die Rechtskonservativen Sam Brownback, Rick Santorum und George Allen, allesamt als mögliche Präsidentschaftskandidaten gehandelte republikanische Senatoren, scheinen einer solchen Politik zuzuneigen.

Allerdings könnte ein derartiges Zerwürfnis mit Bush sehr gefährlich sein. »George Bush spielt Politik mit einer Spitzhacke«, schreibt John Dickerson im linksliberalen Onlinemagazin Slate. »Jeder, der die Nominierung einer sehr engen Freundin des Präsidenten in einem Moment ablehnt, in dem er sehr verwundbar ist, wird einen hohen Preis zahlen. Präsident Bush wird die nächsten drei Jahre damit verbringen, alle Abtrünnigen zu bestrafen.«