Revanche ist süß

Die Preußische Treuhand verlangt von Polen Entschädigungszahlungen für die deutschen »Vertriebenen«. Ihr Leiter Pawelka ist Mitglied der CDU und Ratsherr in Leverkusen. von oliver hinz

E s hätte der Tag werden sollen, den Rudi Pawelka so lange herbeigesehnt hat. Am Donnerstag dieser Woche wollte der Mann aus Leverkusen im Haus der Bundespressekonferenz seinen großen Auftritt vor den Journalisten haben. Er ist besessen davon, ihnen und der Welt seine Mission mitzuteilen: Polen müsse die so genannten Vertriebenen »entschädigen« oder ihnen ihr früheres Eigentum zurückgeben.

»Wir haben die Bundestagswahl abgewartet, weil wir vorher untergegangen wären«, begründet Pawelka den für die Pressekonferenz ausgewählten Zeitpunkt. Dieser hänge nicht mit den polnischen Wahlen zusammen, deren Termine er ohnehin nicht kenne, erläutert er der Jungle World. Am Montag aber sagte die Preußische Treuhand den Termin ohne Angabe von Gründen ab.

Die Pressekonferenz wäre eine »Steilvorlage für Lech Kaczynski« gewesen, meint Dieter Bingen, der Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt. Der Rechtspopulist Kaczynski, derzeit Oberbürgermeister von Warschau und Präsidentschaftskandidat, stilisiert sich gerne zum Verteidiger der nationalen Interessen Polens. Im vorigen Jahr präsentierte er als Antwort auf die von Pawelka angekündigten Schadenersatzklagen eine Gegenrechnung: Er forderte von der Bundesregierung Reparationen in Höhe von 40 Milliarden Dollar für das im Zweiten Weltkrieg von Deutschen völlig zerstörte Warschau. Was Pawelka treibe, bezeichnet Bingen als »Unverschämtheit und Dummheit«.

Fast ein Jahr war es sehr still um die Preußische Treuhand, mit der Pawelka Häuser, Grundstücke oder Geld von Polen eintreiben will. Die ersten Klagen hatte er bereits für den Herbst 2004 angekündigt. Doch die Zeit verstrich. Ende vergangenen Jahres verhandelte die Treuhand dann mit dem Anwalt Michael Witti, der einst erfolgreich die NS-Zwangsarbeiter vertrat. »Wir waren schon fertig«, erzählt Pawelka. Witti habe bereits einen Termin für die Bundespressekonferenz im Januar 2005 angefragt gehabt. Doch dann sprang der Berliner Anwalt ab.

»Das hätte auch zu unserer übrigen Mandantschaft nicht gepasst«, sagte Witti der Jungle World. Für die geplanten Entschädigungsklagen der Treuhand sieht er aber durchaus Erfolgschancen. Sonst hätte er sich gar nicht mit ihren Vertretern zusammengesetzt. Über die Treuhand verliert er kein schlechtes Wort. Im Gegenteil: Deren Ansatz sei »nicht abwegig«.

Bereits im Dezember 2000 hatten die Landsmannschaften Ostpreußen und Schlesien des Bundes der Vertriebenen (BdV) die Preußische Treuhand GmbH gegründet, die im Jahr darauf in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt wurde. Das Ziel sei die »Rückgabe des im Osten von den Vertreiberstaaten völkerrechtswidrig konfiszierten Eigentums«. Die Delegierten der Landsmannschaft Ostpreußen besannen sich später eines Besseren und verkauften ihre Anteile mit Verlust. Trotzdem residiert die Treuhand bis heute in der nordrhein-westfälischen Filiale des Ostpreußenverbands in Düsseldorf.

Pawelka führt die Firma als Aufsichtsratsvorsitzender. Der pensionierte Polizeidirektor stammt aus Breslau. Seine Familie besaß allerdings kein Land im heutigen Polen. Der langjährige Funktionär der Vertriebenen ist seit fünf Jahren Bundesvorsitzender der Schlesischen Landsmannschaft. Doch auch die Führung des BdV beobachtet seine Aktivitäten mit Argwohn. Die Präsidentin Erika Steinbach nahm vor einem Jahr auf dem »Tag der Heimat« kein Blatt vor den Mund: »Mit Herrn Pawelka spreche ich nicht. Da ist Hopfen und Malz verloren.« Aber ihr Stellvertreter Hans-Günther Parplies sitzt weiter im Aufsichtsrat der Treuhand.

Dasselbe doppelte Spiel treibt auch die CDU. Die Parteivorsitzende Angela Merkel distanziert sich immer wieder von Pawelka. Trotzdem ist er in der Partei voll integriert – als stellvertretender Ortsvorsitzender und als Ratsherr in Leverkusen, zu dem er vor einem Jahr direkt gewählt wurde. Da war seine juristische Aggression gegen Polen längst bekannt.

Markus Meckel, der Außenpolitiker der SPD, legt der CDU inzwischen indirekt den Parteiausschluss Pawelkas nahe: »Wenn man sich klar distanziert, dann muss man auch die Konsequenzen ziehen. Sonst ist das wenig glaubhaft.« Pawelka habe das Klima in den deutsch-polnischen Beziehungen »vergiftet«, sagte Meckel der Jungle World. Es sei jedoch »gar nicht so ungut«, wenn die Treuhand endlich »gegen die Wand läuft«. Immerzu schwelende Klagedrohungen seien gefährlicher.

Auch die rot-grüne Bundesregierung handelte angesichts der Forderungen nach Schadensersatz für das verlorene Eigentum der Vertriebenen nicht besonders überzeugend. Noch Mitte Juli 2004 antwortete das Finanzministerium im Auftrag des Kanzleramts Vertriebenen, die von Polen Entschädigung verlangten, die Bundesregierung stelle zwar keine Vermögensforderungen auf. Aber es hieß auch: »Die Bundesrepublik hat damit nicht auf individuelle Ansprüche verzichtet. Für deren Geltendmachung stehen den Betroffenen die in den jeweiligen Ländern oder internationalen Institutionen bestehenden rechtlichen Möglichkeiten offen.« Alteigentümer wurden also indirekt zu Klagen ermuntert.

Nur wenige Wochen später schrieben die Ministeriumsbeamten in ihren Briefen eindeutig: »Die Bundesregierung unterstützt individuelle Forderungen nicht, soweit sie geltend gemacht werden. Sie wird diese Position auch vor allen internationalen Gerichten vertreten.« Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte bei der 60-Jahr-Feier des Warschauer Aufstands am 1. August 2004 bekannt gegeben, dass die Bundesregierung in Prozessen auf der Seite Polens stehe.

Merkel hat sich vor dieser Zusage trotz eines Appells der SPD bisher gedrückt. Insbesondere die Vertriebenengruppe in der Unionsfraktion warnt Merkel davor, deutsche Vermögensansprüche zu bestreiten. Ein Gutachten des Potsdamer Völkerrechtlers Eckart Klein lieferte der Vertriebenengruppe vor einigen Monaten die Begründung dafür. Die Erklärung des Kanzlers sei »völkerrechtlich unwirksam«, die Eigentumsansprüche seien nicht erloschen. Das Gutachten hatte der wissenschaftliche Dienst des Bundestags bei dem Professor in Auftrag gegeben, weil er eine entsprechende Unionsanfrage nicht selbst beantworten konnte. Immerhin kommt auch Klein zu dem Schluss, dass Klagen beinahe aussichtslos seien.

Die angekündigten Klagen haben in Polen Sorge ausgelöst, auch weil den Worten Pawelkas im Nachbarland oft mehr Bedeutung beigemessen wird als Schröders Rede. Der Leiter der Treuhand solle in Polen zur unerwünschten Person erklärt werden und nicht mehr einreisen dürfen, forderte im Juli etwa die Bürgerbewegung Polnisches Schlesien in Katowice.

Pawelka gefällt sich derweil, wenn er gegen Polen hetzt. So lästert er über den Beitritt des Landes zur Europäischen Union: »Polen ist kein Rechtsstaat. Die haben die Bedingungen mit großer Sicherheit nicht erfüllt, genauso wie Tschechien. Aber da hat die EU den Mantel der Liebe darüber gebreitet.« Außerdem sagt er: »Es gibt in Polen sehr viele Antisemiten.« Einen Zeitungsbeitrag darüber will er in jedem Vortrag zitieren. Wo eine seiner Veranstaltungen vor den Landfrauen des BdV am vergangenen Wochenende stattfinden sollte, wollte er zuvor nicht verraten, um keine ungebetenen Gäste zu bekommen. Denn: »Es kann sein, dass mich der polnische Geheimdienst abhört.«