Skadi über K2 an Ohmanwasfüreinname

Antifas haben das Forum des »Freien Widerstandes« gehackt. von karl hoffmann

Wie sich die Zeiten ändern. Als am 20. Mai 1989 vier Antifas in die Wohnung des Neonazis Christian Worch in Hamburg einbrachen, um Material über die Zusammenhänge der rechtsextremen Szene der Bundesrepublik zu erlangen, mussten sie einen fast paramilitärischen Aufwand betreiben. Immerhin 50 Aktenordner aus den Beständen Worchs wechselten damals den Besitzer. Die »Rechercheure« des Mobilen Antifaschistischen Kommandos entkamen unerkannt. Christian Worch und seine damalige Frau Ursula fanden sich, körperlich unversehrt, aber gefesselt auf dem Boden ihrer Wohnung wieder.

In einer Erklärung stellte das Kommando damals in Aussicht, die Erkenntnisse aus den beschlagnahmten Schriften der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Vorhaben, das wegen der scharfen staatlichen Verfolgung schwer zu verwirklichen war. In diesem Fall kam es zum ersten 129a-Verfahren gegen Hamburger Antifas.

Ob Christian Worch, der 17 Jahre später immer noch einer der bedeutendsten Anführer der deutschen Neonaziszene ist, an diesen Überfall des Frühsommers 1989 zurückdenken musste, als ihm in der vorigen Woche mitgeteilt wurde, dass die vollständige Datenbank des Forums »Freier Widerstand« von der »Daten-Antifa« gehackt wurde? Der Schaden für die rechtsextreme Szene dürfte im aktuellen Fall höher ausfallen als im Jahr 1989. Über 4 000 Profile von Nutzerinnen und Nutzern des Neonazi-Forums und an die 16 000 persönliche Nachrichten machten die virtuellen Antifas öffentlich, indem sie die Daten zur freien Verfügung ins Internet stellten. Eine Datenmenge, die umgerechnet in Papierseiten kaum in 50 Aktenordner passen dürfte.

Doch welche Erkenntnisse ergeben sich aus der Analyse der Unmenge von Informationen? Öfter hätten sie sich des Gefühls nicht erwehren können, »hier handelt es sich nicht um ein relevantes Neonaziportal, sondern vorrangig um eine Daily Soap«, schreibt die »Daten-Antifa« selbst. »Wir mussten feststellen, dass es sich um eine Quatschbude ersten Ranges handelt.«

Bei einem Großteil der Nachrichten geht es um Beziehungsprobleme, verletzte Eitelkeiten, Animositäten, Selbstdarstellungen und Profilierungen. So beklagt eine Nutzerin, die sich »Skadi« nennt, im Forum gegenüber einem anderen Nutzer, der unter dem Namen »Ohmanwasfüreinname« firmierte, ihr Liebesleid mit einem Dritten, der im »Freien Widerstand« unter dem Kürzel »K2«, das offenbar auf »KZ« anspielen soll, mitmachte. »K2 soll zu seiner tollen Kristin gehen und mich zufrieden lassen. Mit ihr wirds er glücklich, das hat er mich oft genug zu versteh gegeben«, schreibt die Betrogene in eigenartiger Orthografie an »Ohmanwasfüreinname«. Während« Ohmanwasfüreinname« Verständnis heuchelt, schickt er gleichzeitig jede ihrer Mails an seinen Kumpel »K2« weiter, damit dieser immer bestens über die psychische Verfassung seiner verhassten Freundin informiert ist.

Während also ein nicht unerheblicher Teil der Kommunikation von banalen Alltagsgeschichten handelt, die allenfalls tiefenpsychologische Einblicke in rechtsextreme Seelen erlauben, wird aber auch deutlich, wie gefährlich die Bagatellisierung des Datenmaterials sein kann. Derselbe jugendliche Neonazi »K2« nämlich, der seine Freundin belügt, entpuppt sich in einer Nachricht vom 3. Dezember des vergangenen Jahres als Gewalttäter, der offen zugibt, Antifas schwer verletzt zu haben. »Wenn Du mitbekommen hast mit der Montagsdemo am 1.11.04 wo die Antifas heftig verletzt worden … ich, hagendorf und 2 weitere hatten die Ehre.« Die veröffentlichten Daten enthalten also auch Informationen, aus denen eindeutige Hinweise auf gewalttätige Übergriffe von Rechtsextremen hervorgehen.

An anderer Stelle prahlt ein Mitglied des Forums mit seinen Söldneraktivitäten; er habe in der Sondereinheit der Bundeswehr, dem Kommando Spezialkräfte (KSK), als Fernspäher gekämpft. Er gibt damit an, angeblich im Kreis von ehemaligen hochrangigen Militärs den gewaltsamen Umsturz zu planen.

Die Forennamen, für die viele Nutzer germanische Ausdrücke oder typisch neonazistische Zahlenkombinationen bevorzugen, lassen oftmals einen einfachen Rückschluss auf die Identität der Rechtsextremen zu. In vielen persönlichen Nachrichten werden Klarnamen, Adressen, Telefon- und Mobilfunknummern genannt. Nach Anführern wie Alex Reitz oder Christian Worch muss gar nicht großartig recherchiert werden. Sie schreiben offen unter ihrem Namen. Aus ihrer Korrespondenz lassen sich ebenfalls Informationen gewinnen. Etwa über das Verhältnis zwischen so genannten Freien Kameradschaften und der NPD oder über geplante Aufmärsche. Worch etwa, dem seit Jahren ein gespanntes Verhältnis zur NPD nachgesagt wird, da er lieber seine persönlichen Ziele verfolgt, hofft offenbar immer noch auf die Partei und scheint ihr viel näher zu stehen, als bislang vermutet wurde.

Die E-Mail-Korrespondenz gibt an vielen Stellen einen Blick auf die Beziehungen der Neonazis untereinander frei. Etwa wenn der ehemalige Notariatsgehilfe Worch über das Internet wieder mit gleichaltrigen Neonazis wie Thomas Brehl in Kontakt kommt. »Schön, auch mal wieder persönlich von dir zu hören«, freut sich Brehl in einer persönlichen Nachricht über einen Brief Worchs. »Meine Festnetznummer ist seit zehn Jahren dieselbe, und ich verteidige sie mit Krallen und Klauen wegen der darin vorkommenden Ziffernfolge 88.« In den achtziger Jahren zählten Brehl und Worch zu den Stellvertretern Michael Kühnens, dem damals einflussreichsten Anführer der Rechtsextremen in Westdeutschland.

Für diejenigen, die sich für die Entwicklungen in der deutschen Neonaziszene interessieren, ist die Lektüre der veröffentlichten Daten also durchaus empfehlenswert. Genauso wie für alle, die wissen wollen, welche Neonazis wo tätig sind. Die Freude der Antifa, dass die »Nazi-Quatschbude« geschlossen ist, währte indes nur zwei Tage. Nicht nur, dass inzwischen ein Teil des Forums »Freier Widerstand« wieder im Internet zu erreichen ist, überdies gelang es offenbar Rechtsextremen in der vergangenen Woche, die Datenbank eines Online-Versandhandels der Antifa zu knacken und deren Kundendaten zu veröffentlichen.