Williwack und Pingu

In Kinderbüchern hat der Pinguin meist keine Lust mehr auf sein ödes Leben auf der Eisscholle, und so begibt er sich auf Wanderschaft. von elke wittich

Ein schönes Leben kann das nicht sein: Eis, Schnee und Geröll, so weit das Auge reicht. Herumstehen und sich per Fernglas von Touristen angaffen lassen. Erst umständlich durch unwegsames Gelände watscheln müssen, wann immer man mal ein bisschen baden möchte. Fische der immergleichen Arten jagen, und wenn alles gut geht, auffressen. Von Seeleoparden gejagt werden, und wenn alles schlecht läuft, von ihnen so lange gegen die Wasseroberfläche geklatscht werden, bis sich Haut und Federn gelöst haben und man bequem verspeist werden kann.

Kein Wunder also, dass Pinguine von einem ganz anderen Leben träumen. Wie Williwack, der Held eines in den sechziger Jahren immens populären Kinderbuchs von Günther Spang. Dem Pinguin wurde es auf seiner Insel am Südpol zu langweilig, weshalb er kurz entschlossen ein vorbeikommendes Kreuzfahrtschiff enterte. Was keine besonders gute Idee war, denn der arme Williwack litt schon rasch ganz furchtbar unter Seekrankheit, verhungerte fast, weil er keine frischen Fische fand, erwies sich trotz seines Fracks als eher schlechter Kellner, und viel zu warm war ihm auch.

Am Ende – es war die Zeit, in der Kinderbücher im Großen und Ganzen davon handelten, dass Kinder und Pinguine von zu Hause in die weite Welt fortliefen, dann jedoch feststellten, dass es dort draußen eher unschön ist, und reumütig heimkehrten – landete Williwack wieder auf seiner angestammten Eisscholle. Was danach aus ihm geworden ist, weiß man nicht. Entweder watschelt er dort noch heute herum und nervt die gesamte Nachbarschaft mit langatmigen Schilderungen seiner großen Reise, oder er ist schon längst von einem Seeleoparden verdaut worden.

Nach Williwack war erst einmal Schluß mit Pinguinen in der Kinderliteratur, nur noch gelegentlich kamen sie in Reihen wie »Was ist was?« oder in Comics vor.

Bis sich der schweizerische Autor Silvio Mazzola 1986 Pingu, ein äußerst renitentes Pinguin-Kind ausdachte. Pingu wohnt mit seinen Eltern und der kleinen Schwester Pinga in einem Iglu, wo er gewohnheitsmäßig Sachen anstellt. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn schließlich ist es dort unendlich langweilig.

Warum packt Pingu nicht einfach seine Sachen und läuft in die große weite Welt hinaus? Nun, zum einen ist das Tier einfach noch viel zu klein, um alleine zurecht zu kommen – wie zahlreiche Episoden beweisen, in denen das nervende Kind den größtmöglichen Unsinn anstellt. Zum anderen wohnt es wahrscheinlich auf einer Insel mit Williwack und weiß deswegen genau Bescheid über die Welt da draußen: Sie ist furchtbar warm, in manchen Teilen bedenklich fischlos und voll mit dummen Menschen, die alles, was einen Frack trägt, für einen Oberkellner halten.

So bleibt Pingu halt da, wo er hingehört. Das ist wahrscheinlich auch besser so, denn seit Williwacks großer Reise ist die Welt für kleine Pinguine wesentlich gefährlicher geworden. Und selbst in der Virtualität ist man nicht nett zu den Watschelviechern: Verirren sie sich beispielsweise auf die unten genannte Website, sind die Chancen mehr als gut, dass sie jemand packt und eine Art sehr gemeines Weitwerfen mit ihnen veranstaltet. Platsch! landen sie dann auf betonhartem Eis, wutsch! werden sie von dort wieder hochgeschleudert, um dann mit viel Pech – matsch! – ihr Leben auf einer Tretmine äußerst blutig auszuhauchen.

Zu Hause ist es manchmal eben doch am allerschönsten, trotz der bösen Seeleoparden.

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