Für Anstand und Moral

Präsidentschaftswahl in Polen von oliver hinz

Alle Macht den Zwillingen! Schluss mit Korruption, Postkommunismus und Unmoral! Das fordern die polnischen Wähler und küren Lech Kaczynski mit noch größerem Vorsprung zum Staatspräsidenten als vier Wochen zuvor seinen nur wenige Minuten älteren Bruder Jaroslaw zum Sieger der Parlamentswahl. Der rechtsliberale Donald Tusk unterlag am Sonntag bei der Stichwahl dem Rechtspopulisten Kaczynski mit 46 zu 54 Prozent. Ein beunruhigendes Ergebnis.

Die Zwillinge wollen unter anderem das Strafrecht verschärfen und die Befugnisse von Polizei und Gerichten ausbauen. Noch nicht einmal das Recht von Homosexuellen auf Demonstration achten die selbst ernannten Saubermänner. Lech Kaczynski verbot als Warschauer Bürgermeister in diesem und im vorigen Jahr, garniert mit üblen Ressentiments, ihre Paraden. Er würde sogar die Todesstrafe wieder einführen, wenn er nur könnte.

Lech Kaczynski brüstete sich auch damit, keinen Kontakt zu deutschen Politikern zu unterhalten. Seinen rechtsliberalen Gegenkandidaten Tusk kritisierte er im Wahlkampf wegen »zu großer Kompromissbereitschaft« gegenüber Deutschland. Sein Wahlkampfleiter warf Tusk zudem vor, dass dessen Großvater in der Wehrmacht gedient habe. Nach massiven Protesten entlies ihn Kaczynski und er wurde aus der Partei ausgeschlossen. Aus Archivdokumenten geht hervor, dass Jozef Tusk nach langen Aufenthalten in Konzentrationslagern zwangsweise zur Wehrmacht einberufen wurde. Er desertierte allerdings und schloss sich den »Polnischen Streitkräften im Westen« an.

Seinen Sieg verdankt Kaczynski weniger seinen starken Sprüchen sondern angesichts einer Arbeitslosigkeit von 18 Prozent – der höchsten in der EU – vielmehr der Tatsache, dass er die soziale Karte ausspielte. Die Mehrheit der Wähler wollte die von ihm versprochenen höheren Renten und Hilfe für Arme. Und am wichtigsten: Kaczynski jagte der Mehrheit Angst vor Tusks liberalem Wirtschaftsprogramm ein, das durch eine Einheitssteuer die Armen benachteiligen würde. Dabei gilt das mit Abstrichen genauso für Kaczynskis gemäßigt liberale Steuerpolitik. Das ging allerdings nach den vorangegangenen sang- und klanglosen Niederlagen der Linken in der ersten Runde der Präsidenten- und der Parlamentswahl völlig unter. Überall kam dagegen seine Ankündigung an, den liberalen Architekten der polnischen Marktwirtschaft, Leszek Balcerowicz, nicht wieder als Chef der Nationalbank vorzuschlagen.

Immerhin: Rassistische und antisemitische Floskeln sind den Kaczynskis fremd, obwohl ihre Partei Recht und Gerechtigkeit im Europa-Parlament mit rechtsextremen Parteien wie der italienischen Alleanza Nazionale von Außenminister Gianfranco Fini eine Fraktion bildet. Lech Kaczynski gehört zu den größten Förderern eines neuen jüdischen Museums in Warschau. Aber ähnlich wie der frühere Präsident Lech Walesa grenzt sich der Rechtspopulist nicht von den Ultrarechten und Nationalisten ab, die zu seiner Wahl aufriefen.

Die Kaczynskis sind Profis genug, dass sie die Beziehungen zu Deutschland nicht einfach aufs Spiel setzen. Ihrer geplanten Koalition mit Tusks Bürgerplattform fehlt zudem die Zweidrittelmehrheit im Parlament, um die polnische Demokratie in ein Präsidialsystem umzuwandeln.

Ein Trost bleibt, dass die in Deutschland lebenden Polen bei der Wahl in den Konsulaten dem neuen Präsidenten ebenso eine Abfuhr erteilten wie die Warschauer und die Wähler im Westen und Norden Polens. Vermutlich wird der kleine Spuk bei der nächsten Wahl in fünf Jahren vorbei sein. Kaczynski wird seine großspurigen sozialen Versprechen nicht erfüllen können. So wird er wohl sein Amt verlieren.