Vor der Marlene-Dietrich-Kaserne
50 Jahre Bundeswehr sind auch die Geschichte von 50 Jahren Friedensbewegung. Die beiden haben mehr miteinander zu tun, als sie wahrhaben wollen. Seit Jahrzehnten tönt die Bundeswehr, sie selbst sei die größte Friedensbewegung der Republik, und Friedensforschungsinstitute entwerfen alternative Sicherheitsmodelle, die den kapitalistischen Frieden viel besser stabilisieren sollen als jede Besatzungstruppe.
Zu ihrem Jubiläum tourt die Bundeswehr mit Großen Zapfenstreichen, feierlichen Gelöbnissen und Waffenshows durch die Republik und zwingt die Bevölkerung, gefälligst von ihr Kenntnis zu nehmen. Hiergegen gibt es nicht nur Protest; es gibt auch ein kritisches, aber grauenvoll staatstragendes Räsonnieren über die Tradition der Truppe.
Etliche friedensbewegte Zeitschriften empfehlen ihren LeserInnen Detlev Balds jüngst veröffentlichtes Buch »Die Bundeswehr – eine kritische Geschichte« zur Lektüre. Der Autor ist ein kritischer Militärhistoriker, nicht mehr und nicht weniger. Der Tenor seines Buches lautet: Die Bundeswehr wurde lange, sehr lange dominiert von üblen Wehrmachtsgenerälen, und die haben – schlimm! – die Anpassung der Armee an die Anforderungen der Nachkriegszeit versaut, weswegen die Bundeswehr heute einen großen »Reformbedarf« hat.
Früher grenzte der Vorwurf, dass sich die Bundeswehr zu eng an die Wehrmacht anlehne, an Wehrkraftzersetzung. Heute wird diese Feststellung für die Modernisierung der Truppe funktionalisiert. Wer vor zehn Jahren verlangte, die Bundeswehr solle sich zu den Verbrechen der Wehrmacht »verhalten«, provozierte wutschäumende Reaktionen von Politikern und Generälen. Wer das heute sagt, darf in Truppenzeitschriften veröffentlichen. Wer früher vor der nach einem Nazi benannten Kaserne stand und eine Namensänderung forderte, tat etwas Sinnvolles, weil er keine Chance hatte, Gehör zu finden. Er sorgte aber für Aufsehen und schädigte das Ansehen der Truppe. Heute riskiert er den Erfolg.
Die rot-grüne Bundesregierung hat Kasernenbelegschaften in die Gedenkstätte Auschwitz oder in die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht geschickt. Danach schmissen sie Bomben auf Serben oder Taliban, immer im Kampf gegen Faschismus und »für Menschenrechte«.
Viele aus der Friedensbewegung verkennen diesen Wandel. Jakob Knab, der Initiator der Initiative »Falsche Glorie« (als gäbe es eine richtige Militär-Glorie!), bleibt der unermüdliche Streiter gegen Wehrmachtspatrone, der er schon immer war. Auch in diesem Jahr wird seine Auflistung von Kasernen, die nach führertreuen Nazi-Generälen benannt sind, inklusive der Verbrechen, an denen diese beteiligt waren, von friedensbewegten Publikationen nachgedruckt. Knab stellt die »bange Frage, ob die Traditionspflege der Bundeswehr nach 50 Jahren endlich in der Demokratie ankommt«. Wer solche Fragen stellt, verdient einen staatlichen Forschungsauftrag.
Kritische Historiker und PDS-Politiker, die heute allen Ernstes vorschlagen, Kasernen nach Wehrmachtsdeserteuren oder gar nach Marlene Dietrich zu benennen, begreifen nicht, dass sie damit erstens den Deserteuren und der antideutschen Schauspielerin aufs Grab spucken und zweitens im »Erfolgsfall« der Bundeswehr zu einem flotteren Image verhelfen würden. Schlimmstenfalls wollen sie sogar genau das.
Die Bundeswehr hat mit der Wehrmacht noch lange nicht abgeschlossen, sie ist aber auch nicht ihre bloße Kopie. Radikale Kritik versucht nicht, die Makel der Truppe zu beseitigen, sondern befleckt das militärische Ehrenschild, so gut sie es vermag.