Das Klima ist antiamerikanisch

Mit der einseitigen Orientierung auf das Kyoto-Protokoll wird der Klimawandel zum Gegenstand internationaler Machtpolitik. von tim blömeke

Die Haltung der Republikanischen Partei und der US-Industrie zu Klimaschutz und globaler Erwärmung wird von Kritikern etwa so beschrieben: »It ain’t true, it ain’t true, it ain’t true. Nothing can be done about it.« Die Existenz des Phänomens werde so lange geleugnet, bis sich die Leugnung nicht mehr aufrechterhalten lässt. Anschließend behauptet man, die globale Erwärmung würde zwar existieren, sei aber unvermeidlich. In Sachen Klimaschutz geschieht unterdessen nichts.

Die Vereinigten Staaten stehen wegen ihrer Klimapolitik seit Jahren international in der Kritik. Besonders europäische Politiker, NGO und Umweltverbände werden nicht müde, die Weigerung der USA anzuprangern, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren, mit dem sich die Industriestaaten verpflichten, ihren kollektiven Kohlendioxidausstoß bis 2012 um gut fünf Prozent unter den Stand von 1990 zu senken und ein Handelssystem für Verschmutzungsrechte einzurichten. »Wenn man in der Konferenzhalle herumläuft, sagen einem die Delegierten, dass viele Themen auf der Tagesordnung stehen, aber dass es nur ein wirkliches Problem gibt – und das sind die Vereinigten Staaten«, fasst Bill Hare von Greenpeace die Klimadebatte zusammen.

Europa, und nicht zuletzt Deutschland, sieht sich selbst beim Klimaschutz in einer Führungsrolle, die USA sind »der große Verweigerer« (Süddeutsche Zeitung) im selbstlosen Ringen der Völker um die Zukunft der Erde. Als im Sommer der Hurrikan Katrina den Südwesten der USA heimsuchte, kommentierte Deutschlands damaliger Umweltminister Jürgen Trittin das Geschehen mit den Worten, globale Wirbelstürme seien das Produkt »ignoranter Ideologien und nationaler Alleingänge«.

Natürlich stellt sich die Frage, warum neben Australien auch die USA, immerhin ein moderner Industriestaat mit einer ausgeprägten wissenschaftlichen Kultur, sich einem Produkt der Vernunft wie dem Kyoto-Protokoll verweigern, wenn 153 andere Staaten, darunter Russland, China und Indien dieses ratifizieren. Schließlich lebt gut die Hälfte der knapp 300 Millionen US-Bürger weniger als 80 Kilometer vom Meer entfernt und hat allen Grund, sich zumindest für den Meeresspiegel und die Intensität von Hurrikans zu interessieren.

Seit dem 25. Juli 1997 gilt in den USA die Byrd-Hagel-Resolution. Laut diesem Senatsbeschluss dürfen die USA kein Protokoll unterzeichnen, das nicht sowohl für Industrieländer als auch für Schwellenländer Emissionsgrenzen festlegt, »oder das der Wirtschaft der Vereinigten Staaten ernstlich schaden würde«. Im November 1998 unterzeichnete der damalige Vizepräsident Al Gore zwar symbolisch das Kyoto-Protokoll, Clinton verzichtete jedoch darauf, es dem Senat zur Ratifizierung vorzulegen, da dessen Haltung zum Thema Kyoto eindeutig war.

Grund für diese Eindeutigkeit ist unter anderem, dass die Bestimmungen von Kyoto als für die Wirtschaft der USA unfair empfunden werden. Beispielsweise wird kritisiert, dass Schwellenländer mit der Unterzeichnung keine Verpflichtungen eingehen. Damit ist in erster Linie China gemeint, das bereits heute enorme Mengen billig und weitgehend ohne Arbeitsschutz- und Umweltauflagen produzierter Waren in die USA exportiert und in den USA als wichtigster Konkurrent der Zukunft gesehen wird.

Auch die Festlegung des Referenzwertes auf die Emissionsmengen von 1990 ist für die USA ungünstig. In Europa liefen zu diesem Zeitpunkt noch die maroden und fürchterlich ineffizienten Kraftwerke, Hochöfen und Fertigungsanlagen der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten. Allein durch den Zusammenbruch der Industrien in diesen Ländern sind die europäischen Emissionen enorm gesunken, während in westeuropäischen Wachstumsregionen wie Irland und Spanien die Emissionen seit 1990 stark angestiegen sind. Sollte Europa seine selbst gesetzten Klimaziele bis 2012 verwirklichen können, was gegenwärtig noch fraglich ist, dann nur wegen des Wegfalls von Emissionen in den zusammengebrochenen Industrien der osteuropäischen Länder. Solche Verrrechnungsmöglichkeiten haben die USA nicht. Im Vergleich der klassischen Industrienationen wäre die Ratifizierung von Kyoto also für die USA am teuersten gewesen.

Ein weiterer Skeptiker bei den Verhandlungen war Russland. Nach hartnäckigen Verhandlungen mit EU-Staaten hat Präsident Wladimir Putin Ende vergangenen Jahres das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und so wird Russland demnächst in der Lage sein, die notorisch leere Staatskasse durch den Verkauf von Emissionsrechten aufzufüllen, die es sich zu Sowjetzeiten erworben hat. Auch Befürworter internationaler Klimaabkommen können von dieser Lösung nicht begeistert sein. Solche Beispiele scheinen den Gegnern von Klimaschutzabkommen Recht zu geben; zud¿em sind die USA gegenüber internationalen Verträgen ohnehin eher skeptisch eingestellt.

Trotz dieser Vorbehalte gibt es in den USA lokale und einzelstaatliche Initiativen zu einem Klimaschutzprogramm. Seit November 2004 existiert die Regional Greenhouse Gas Initiative, ein Emissionshandelssystem, an dem bisher die neun nordöstlichen Bundesstaaten Maine, Massachusetts, New Hampshire, Vermont, Rhode Island, Connecticut, New York, New Jersey und Delaware teilnehmen. Ziel ist es, den Nutzen des Emissionshandels zur Reduktion von Treibhausgasen unter Beweis zu stellen und dadurch Druck auf Kongress und Administration auszuüben, ein US-weites System einzurichten. Außerdem unterstützen seit Juni 165 US-Städte das Kyoto-Protokoll, darunter New York, Seattle, Los Angeles, Boston, Denver und San Francisco.

Klimaschutz steht in den USA also durchaus auf der Tagesordnung, viel stärker jedenfalls, als die Fixierung der hiesigen Berichterstattung auf die Haltung der Bush-Administration zum Kyoto-Protokoll glauben macht. Dieses kann in der bestehenden Form keine US-Regierung akzeptieren – mittlerweile ist es angesichts der gegenüber 1997 stark gewachsenen Bedeutung Chinas für die globalen Emissionen von Treibhausgasen auch weitgehend obsolet und wird in erster Linie zur öffentlichen Bloßstellung beziehungsweise internationalen Isolierung der Bush-Administration genutzt.

Dabei wäre eine sachliche, weniger mit europäischen Machtinteressen verwobene Kritik durchaus im Sinne des Klimaschutzes. Dass gerade US-Vizepräsident Richard Cheney sich den Interessen der Energiewirtschaft besonders verpflichtet fühlt, ist seit Jahren ein offenes Geheimnis und für Umweltschützer in den USA dauerhaft Anlass zur Kritik. Denen ist aber wenig geholfen, wenn beispielsweise Greenpeace in einer Presserklärung die Gründung einer Brüsseler Anti-Klima-Lobby wegen der Beteiligung von Vertretern aus US-amerikanischen Think Tanks als amerikanische Veranstaltung bezeichnet und als transatlantische Einflussnahme kritisiert. Denn die Interessen, die eine solche Lobby vertritt, sind natürlich vor allem die der großen europäischen Emittenten von Treibhausgasen, allen voran der deutsche Ener­gie­kon­zern RWE.