Der Markt ist offen

Die EU hat auf einem Gipfel die Ukraine als Marktwirtschaft anerkannt. Gegenüber Visaerleichterungen für ukrainische Bürger zeigt sie sich weiterhin skeptisch. von franziska bruder

Wenig hilfreiche Integration«, lautete der Kommentar der Kiewer Tageszeitung Denh zu den Ergebnissen des EU-Ukraine-Gipfels, der am vergangenen Donnerstag in Kiew stattfand.

Begleitet von mehreren Demonstrationen von EU- und Nato-Gegnern, verkündete ein sichtlich zufriedener Präsident Viktor Juschtschenko, dass die EU dem östlichen Nachbarn den Status eines »Landes mit Marktwirtschaft« verliehen habe. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich für die Ukraine die Möglichkeit, vereinfacht in die EU zu exportieren sowie eine bessere Ausgangsposition in den laufenden Verhandlungen über einen Beitritt zur Welthandelsorganisation. Ansonsten gab es wenig Konkretes: Ein Memorandum bezüglich der Energiepolitik wurde beispielsweise unterzeichnet. Hier geht es vor allem um Sicherheitsfragen in der Atompolitik sowie um die seit Jahren verhandelte Ölpipeline von Odessa-Brody bis ins polnische Plock. Eine zweite Erklärung betrifft eine Vereinbarung bezüglich der zivilen Luftfahrt, mit der die Ukraine stärker an die EU gebunden werden soll. Drittens wurde der Ukraine eine Zusammenarbeit im Satelliten-Navigationsprogramm »Galileo« angeboten – ein strategischer Vorzug, den die Ukraine nur mit Israel und China teilt und den sie ihrer langjährigen zentralen Stellung im Hochtechnologiebereich in der ehemaligen Sowjetunion verdankt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt auf dem Gipfel war die Visapolitik. Die Ukraine hat seit dem 1. September die Visumspflicht für EU-Bürger aufgehoben. Dennoch versprach die EU ihrerseits lediglich vage, man wolle die Visavorschriften »liberalisieren«. EU-Ratspräsident Tony Blair erklärte, für eine Entscheidung müsse man die ukrainischen Parlamentswahlen im März 2006 abwarten. Dahinter steckt die Befürchtung, dass sich nach dem Auseinanderbrechen der Regierungskoalition der so genannten Orangenen Revolution erneut ein undurchsichtiger Schlängelkurs in der Ukraine durchsetzen wird, wie er unter dem Amtsvorgänger Juscht­schen­kos, Leonid Kutschma, üblich war.

Die Drohgebärden des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin sowie einiger Funktionäre des russischen Gasmonopolisten Gasprom waren nicht zu übersehen: Der Konzern verkündete einen Tag vor dem Gipfel, dass für die russischen Gaslieferungen an die Ukraine eine Preiserhöhung von 50 auf 160 Dollar für 1 000 Kubikmeter fällig seien. Bislang zahlte die Ukraine neben Belarus einen Vorzugspreis, da sie das zentrale Transitland für die Gaspipelines in den Westen ist. Mit dieser Erpressung auf energiepolitischem Terrain soll die Ukraine im Einflussbereich Russlands gehalten, gleichzeitig aber auch Westeuropa die Grenzen des Einflusses aufgezeigt werden. Die baltischen Staaten und die Slowakei sind von den russischen Gaslieferungen vollständig abhängig, aber auch 80 Prozent der polnischen und ungarischen, 70 Prozent der tschechischen und 40 Prozent der deutschen Gasimporte stammen aus Russland.

Zu guter Letzt demonstrierten die Ereignisse rund um den Gipfel die strategische Bedeutung der Ukraine für die europäische Migrationspolitik. Bereits Ende Oktober unterzeichnete die Ukraine mit der internationalen Organisation für Migration ein Memorandum, in dem man das weitere gemeinsame Vorgehen bezüglich »illegaler« Migration sowie Frauen- und Kinderhandel vereinbarte. So wurde neben dem weiteren Grenzenausbau, dem Austausch über Migrationsrouten auch die Einrichtung von »Konsultations- und Informationszentren« für Migranten vereinbart. Einen Tag vor dem Gipfel wurde außerdem eine EU-Mission in Odessa eröffnet, die ein Monitoring an der ukrainisch-moldawischen Grenze durchführen soll.