Marx hat’s ­gewusst

Die Linke und die Ökologie von peter bierl

Lange Zeit galt in der Linken Umweltschutz als kleinbürgerliche, romantische oder gar rechte Idee. Erst Mitte der siebziger Jahre, mit den Protesten in Whyl und Brokdorf, schloss sich die Neue Linke der Anti-AKW-Bewegung an, wobei der Kommunistische Bund (KB) eine wichtige Rolle spielte. Manche Linken lösten sich damals von der Vorstellung, dass der Fortschritt der Produktivkräfte fast von selbst zum Sozialismus führen werde und begriffen, dass auch Destruktivkräfte entstehen. Andere wollten, nachdem die Betriebsarbeit gescheitert war, eine Massenbasis gewinnen, ohne die Tragweite dieser neu entdeckten Widersprüche zu verstehen. Einige machten mit den grünen Partei Karriere. Offenherzige Ignoranten beharrten darauf, dass Atomanlagen »in Arbeiterhand« ein Segen wären.

Doch davon abgesehen ist es natürlich zutreffend, dass sich allerlei rechte Leute in der Ökologiebewegung herumtreiben. Schon im Kaiserreich propagierten völkische Lebensreformer Umweltschutz als »Heimatschutz«; bei den Grünen hatten anfangs Anthroposophen, Anhänger der Zinsknechtschaftslehre von Silvio Gesell, Vollwertfreaks, die den SA-Mann und Sozialdarwinisten Max O. Bruker verehrten, Herbert Gruhl, Baldur Springmann und ihre Gefolgschaft, der zum Bhagwan-Fan mutierte Rudolf Bahro und Leute aus dem rechtsextremen »Weltbund zum Schutz des Lebens« großen Einfluss. Mit Bahro etwa paktierten einige Linke gegen die Realos, die ihn frühzeitig als Faschisten kritisiert hatten. Heute treiben sich solche rechtslastigen Gruppen auf den Sozialforen dieser Welt herum.

Seit dem Umweltgipfel von Rio de Jainero im Jahr 1992 ist die Umweltbewegung wieder in den Mainstream integriert. Die dort verabschiedete »Agenda 21« enthält Bekenntnisse zur Atomenergie und zur Gentechnik. Statt Schadstoffe zu reduzieren, wurde ein Ablasshandel mit Emissionsrechten eingeführt. Die ganzen neunziger Jahre verplemperte die Umweltbewegung in »Agenda 21«-Gruppen. In München beteiligten sich der ADAC und BMW daran, in Frankfurt regte die lokale Agenda den Einbau von Vakuumtoiletten auf dem Flughafen an, während die Flughafen AG eine weitere Startbahn vorbereitete.

Linke verspotteten Linke, die sich gegen die Patentierung von Lebewesen wandten. Sie behaupteten, im Sozialismus könne Gentechnik ohne Risiko sinnvoll genutzt werden. Diese Spezies von Marxisten begriff nicht, dass das Kapital, indem es Sequenzen der DNA von Menschen sowie Tiere und Pflanzen patentieren lässt, Produktionsverhältnisse gemäß den neuen Destruktivkräften schafft. Jürgen Trittin, einst Mitglied des KB, brachte es zum Bundesumweltminister und vereinbarte mit den Energiekonzernen im »Atomkonsens«, dass ihre Reaktoren die Menschen so lange bedrohen dürfen, wie dies profitabel ist.

Der KB, einige autonome Gruppen und linke Grüne, später die Ökologische Linke haben sowohl gegen Ökofaschisten als auch gegen Umweltzerstörung gekämpft. Das war der richtige Ansatz. Heute ist das Thema in der Linken völlig außer Mode. Dabei zeigen die Versteppung und Verwüstung weiter Teile des Planeten unter dem Diktat von industrieller Landwirtschaft und menschengemachtem Klimawandel oder Ereignisse wie die Überflutung einer Stadt wie New Orleans, dass es sich bei der ökologischen Frage nicht um einen Nebenwiderspruch handelt. Marx betonte, dass Kapitalakkumulation darauf beruht, Menschen auszubeuten und Natur zu zerstören. Sein kategorischer Imperativ, alle Verhältnisse umzustoßen, in denen Menschen erniedrigt, gedemütigt und unterdrückt werden, setzt ökologische Verhältnisse voraus, unter denen Menschen nicht bloß vegetieren, sondern leben können.