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Hüsch ist tot

Nachruf. In Moers am Niederrhein sprechen die Leute einen schönen Dialekt. Ein leichtes Platt. Es mischt den rheinischen Frohsinn mit der Melancholie der Westfalen. Dieser heimelige Sound lag stets in den Worten von Hanns Dieter Hüsch, der in der vergangenen Woche im Alter von 80 Jahren in Windeck-Werfen unweit seiner Geburtsstadt Moers verstorben ist. Hüsch hatte eine tolle Stimme, eine echte Radiosprecherstimme, die wie gemacht war für die endlosen Wortsendungen des in den siebziger Jahren noch jungen WDR. »Unterhaltung am Wochenende« hieß eine seiner kabarettistischen Erzählsendungen, die er damals machte. Es war die Zeit, in der ihm der Durchbruch auf den Kleinkunstbühnen zunächst der Region, später auch deutschlandweit gelang. Hüsch hatte für seine Auftritte die Philicorda entdeckt, eine nicht unnervige Sorte von Heimorgel, von der er sich fortan nicht mehr trennte. Die Miniaturen über den verhinderten Utopisten und Besserwisser Hagebusch wurden mit dem Plastiksound der Philicorda genauso untermalt wie die »Frieda«-Geschichten, in denen er seine Frau Marianne verewigte. Hüsch war ein durch und durch treuer Mensch; die Orgel, die Nickelbrille, der Niederrhein wurden einmal für gut befunden, und dann blieb er dabei. Hüsch sah sich selbst als das »schwarze Schaf vom Niederrhein«, als ein Unangepasster, der schwer gegen den Zeitgeist rudern musste. Die ätzende Kritik von Eckhard Henscheid, für den Hüsch einer von vielen »erledigten Fällen« war, betrachtete der Kabarettist nicht etwa als Beleidigung oder Schmähung seiner Person, sondern schlankweg als großes Verbrechen. (her)

Die Ex von Sarkozy

Sarkozy. Die Trennung zwischen Privatleben und Politik ist überholt und spießig, fast alle Details aus unserem Leben als »modernes Ehepaar« haben das Publikum zu interessieren: Nach diesem Motto verfuhren bis vor kurzem der französische Innenminister Nicolas Sarkozy und seine Frau Cécilia. So lange, bis Madame ihrem ehrgeizigen Gatten im Frühsommer davonlief. Jetzt ist es plötzlich vorbei mit dem Postulat, dass die Öffentlichkeit ein legitimes Interesse am Privatleben der Herrschaften habe. Mitte November sollte eine Biografie von Cécilia Sarkozy im französischen Verlagshaus First erscheinen. Das Buch wurde jedoch gestoppt, nachdem bereits 25 000 Exemplare gedruckt waren. Sarkozy hat den Verlags­chef persönlich in sein Ministerium vorgeladen und ihm mit allen erdenklichen Konsequenzen gedroht, sollte das Buch in den Handel gehen. Die Sache hatte ein Vorspiel im August: Damals hatte die Regenbogenzeitschrift Paris Match ein Foto von Madame mit ihrem neuen Lover auf der Titelseite abgedruckt. Das Blatt konnte erscheinen, doch Monsieur erregte sich öffentlich darüber, dass »mein persönlicher Freund« Arnaud Lagardère – der Chef des Multimedienkonzerns Hachette, dem u.a. Paris Match gehört – das überhaupt habe durchgehen lassen. Dieses Mal konnte Sarkozy sich, in Sachen Biografie seiner Frau, offenkundig durchsetzen. Auch Cécilia Sarkozy hat bereits Erfahrung damit, Bücher zu stoppen, deren Inhalt nicht genehm ist. Am 8. März hätte ein Band erscheinen sollen, der Gespräche mit prominenten Frauen enthält. Cécilia Sarkozy breitete sich darin über »familiäre Werte« aus. Da ihr Seitensprung und die Ehekrise damals anscheinend schon aktuell waren, war ihr der Lobgesang auf die Familie dann wohl doch peinlich. (bs)

Alice Schwarzer geehrt

Bundesverdienstkreuz. Sie mag Nicolas Sarkozy: Alice Schwarzer, Emma-Herausgeberin, Frauenrechtlerin und frischgebackene Trägerin des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse. Die Auszeichnung wurde ihr in der vergangenen Woche feierlich verliehen. Für Alice Schwarzer ist der viel gescholtene französische Innenminister ein Vertreter eines »offensiven Integrations-Kurses«. Das schreibt sie im aktuellen Editorial der Emma zu den Banlieue-Aufständen in Frankreich und läuft darin zu großer Form auf. Für sie ist die machistische Clanstruktur, die sich in den Banlieues entwickelt hat, das eigentliche Problem, über das in den Medien allerdings wenig zu lesen war. »Wollen wir das Problem der brennenden Autos wirklich in den Griff bekommen, müssen wir auch das der brennenden Mädchen angehen (Stichwort: Ehrenmorde); wollen wir das Gesetz der Paten innerhalb der mafiösen Strukturen brechen, müssen wir auch die grenzenlose Autorität der Patriarchen innerhalb der Familien infrage stellen (Stichwort: andere Sitten).« Das ist Klartext, den man nicht in allen Punkten unterschreiben muss, der sich aber entschieden mit einer Leerstelle in der Debatte befasst. (her)

Offene Plattform, trübe Quelle

Wikipedia. »Who the Fuck is Alice?« Wer nicht weiß, wer Alice Schwarzer ist, muss ins Lexikon gucken oder bei Wikipedia nachschauen. Wikipedia hat den unschätzbaren Vorteil, dass es aktuell ist. Nachzulesen ist dort schon jetzt, dass Alice Schwarzer das Bundesverdienstkreuz entgegengenommen hat und dass es darum eine Debatte gegeben hat. Wikipedia: »Dies spiegelte sich in einer ganzen Reihe von Leserinnenzuschriften in der Emma und auch Abonnementskündigungen wieder.« Stimmt das, und schreibt man widerspiegeln nicht ohne »ie«?

Dass die Online-Enzyklopädie kein Lexikon mit verlässlichem Lektorat und wissenschaftlichem Anspruch ist, sondern eine offene Plattform, für die jeder Internet-User anonym einen Beitrag verfassen kann, hat sich in den vergangenen Tagen als Problem erwiesen. Ende November stellte der Journalist John Seigenthaler fest, dass er Wikipedia zufolge verdächtigt worden war, in die Ermordung von John und Robert Kennedy verwickelt zu sein. Seigenthaler machte die Falschinformation publik und löste damit eine Debatte über die Grenzen der Informationsfreiheit aus. Das englischsprachige Wikipedia will das Publikationsverfahren jetzt ändern und nur noch registrierten Usern das Verfassen von Artikeln erlauben. Das Verbessern und Erweitern bestehender Einträge soll dagegen weiter anonym möglich sein. (her)