Nicht fliegen ist schöner

Die Beteiligung am Generalstreik der prekär Beschäftigten in Südkorea ist gering. Größere Wirkung hat der Ausstand der Piloten. von christian karl, seoul

Die Regierung bezeichnet es als »Gesetz zum Schutz der prekär Beschäftigten«. Dan Byeong-ho dagegen, ehemaliger Vorsitzender des Gewerkschaftsverbandes KCTU und derzeit Parlamentsabgeordneter der linken Demokratischen Arbeiterpartei, sagt: »Dieses Gesetz dient nur dem Kapital zur weiteren unumschränkten Ausbeutung der prekär Beschäftigten.« Die Gewerkschafter fordern vor allem eine Beschränkung irregulärer und befristeter Beschäftigungsverhältnisse sowie die Ausweitung der Arbeitsschutzgesetze auf die Prekären.

Prekär Beschäftigte bekommen in Südkorea nur den Mindestlohn von umgerechnet etwa 500 Euro im Monat. Sie haben meist keine soziale Absicherung und müssen vielfach bis zu 50 Stunden die Woche arbeiten, selbst in Großkonzernen wie Hyundae, für die eigentlich gesetzlich die 40-Stunden-Woche vorgeschrieben ist. Und fast jeder zweite Beschäftigte, insgesamt acht Millionen Menschen und überdurchschnittlich viele Frauen, arbeitet in prekären Verhältnissen.

Um zu verhindern, dass das südkoreanische Parlament das Gesetz verabschiedet, traten die in der KCTU organisierten prekär Beschäftigten am 1. Dezember in einen unbefristeten Generalstreik. Seitdem kommt es vor allem in der Hauptstadt ­Seoul fast täglich zu Arbeiterdemonstra­tionen, die nicht selten zu Konfrontationen mit den berüchtigten Anti-Aufruhr­einheiten der Polizei führen.

Die KCTU und symphatisierende Gruppen organisieren die Protest­e in der Nähe des Parlaments oder im Zentrum Seouls. Da die Temperaturen derzeit häufig bis zu zehn Grad unter den Gefrierpunkt sinken, setzt die Polizei mit Vorliebe Wasserwerfer ein. Ein größeres Problem für die Gewerkschafter ist jedoch die geringe Beteiligung, denn nur eine kleine Minderheit selbst der organisierten Arbeiter beteiligt sich am Generalstreik. Am ersten Tag waren noch 67 000 prekär Beschäftigte von knapp 700 000 KCTU-Mitgliedern im Ausstand, am folgenden Tag waren es nur noch 20 000. Und meist sind es nur etwa 1 000 Aktivisten, die sich mit der Polizei herumschlagen.

Auch die Prekären unter den Prekären, die mi­grantischen Arbeiter, protestieren. Etwa 50 Aktivisten der Migrantengewerkschaft MTU und deren Sympatisanten besetzen seit dem 5. Dezember die Büros der National Human Right Commission (NHRC), um die Freilassung des MTU-Vorsitzenden Anwar Hossain zu erzwingen. Die NHRC steht der von Präsident Roh Moo-Hyun geführten Regierung nahe, die Besetzer machen sie deshalb für die nunmehr siebenmonatige Gefangenschaft Hossains direkt verantwortlich. Doch trotz einer relativ breiten Unterstützung dieser Aktion durch die südkoreanische Linke wurde am Donnerstag der vergangenen Woche Radhika Sabbhur, eine nepa­lesische MTU-Aktivistin, festgenommen und im Mok-dong Deportation Center inhaftiert.

Die Aufmerksamkeit der südkoreanischen Medien für die Proteste der Prekären ist gering, größere öffentliche und auch materielle Wirkung hatte der Pilotenstreik bei Korean Airline (KAL), der am Donnerstag der vergangenen Woche begann. Die Streikenden, die ebenfalls in der KCTU organisiert sind, fordern 6,5 Prozent mehr Lohn und eine 50prozentige Erhöhung der Jahresprämie. Der Streik hat schon in den ersten zwei Tagen fast den gesamten Flugverkehr der größten Fluggesellschaft Südkoreas zum Erliegen gebracht. Die Regierung droht nun mit einer »Notstandsvermittlung« im Arbeitskampf, die faktisch einem Streikverbot gleichkommt. Zuwiderhandlungen können dann mit hohen Haftstrafen geahndet werden. Es sind zwar nur 1 300 Piloten, die nicht abheben wollen, doch ihre ökonomische Macht ist groß. Das Handelsministerium schätzt, dass der Streik 20 Prozent der Exporte gefährdet, da Halbleiter und Handys häufig mit dem Flugzeug transportiert werden.